Heilbronn und der Götz

Einsam und verlassen, wie ein anachronistischer Fremdkörper steht der Bollwerksturm, der der eigentliche Götzenturm ist, zwischen Hotel, Parkhaus und Sole-Hallenbad. Und doch ist er der Startpunkt der schönen Heilbronner Flaniermeile Untere und Obere Neckarstraße,
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  • Einsam und verlassen, wie ein anachronistischer Fremdkörper steht der Bollwerksturm, der der eigentliche Götzenturm ist, zwischen Hotel, Parkhaus und Sole-Hallenbad. Und doch ist er der Startpunkt der schönen Heilbronner Flaniermeile Untere und Obere Neckarstraße,
  • hochgeladen von Hans Peter Schmitt

Heinrich von Kleist´s Ritterschauspiel „Das Käthchen von Heilbronn“ hat den Namen der Stadt durchaus bekannt gemacht. Das „Käthchen“ ist allerdings eine Fantasiefigur, die es im realen Heilbronner Leben nie gab und Kleist hat auch wohl nie Heilbronn besucht. Trotzdem macht die Stadt einen wahren Hype um das Käthchen. Das „Käthchen“ taucht bei öffentlichen Anlässen leibhaftig im Kostüm auf, Käthchen-Puppen, Käthchenpostkarten und Käthchen-Sekt, Käthchen Glühwein kann der Tourist käuflich erwerben. Ganz neu: der Käthchen Weihnachtsmarkt. Sogar eine Käthchenhaus-Lüge existiert.

Ganz anders ist das bei Götz von Berlichingen.
Deutschlands größter Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe hat dem Ritter mit seinem historischen Schauspiel „Götz von Berlichingen“ ein Denkmal gesetzt. Das Stück ist Teil der Weltliteratur und der berühmte Schwäbische Gruß „Leck mich…“ ist auch heute noch häufig im Alltag zu hören. Anders als Kleist besuchte der große Dichter an seinem 48. Geburtstag im Jahr 1797 die Stadt Heilbronn und Götz von Berlichingen war tatsächlich im Alter von 39 Jahren aufgrund eines Beschlusses des Schwäbischen Bundes ab 1519 für rund drei Jahre in Heilbronn in ritterlicher Haft. Die erste Nacht verbrachte er im „Diebsturm“, dem heutigen Bollwerksturm. Seine Freunde Franz von Sickingen und Georg von Frundsberg setzten sich erfolgreich dafür ein, dass er schon nach einer Nacht im Turm die Haft im Gasthaus Zur Krone in angenehmerer Umgebung verbringen durfte.

Im zweiten Weltkrieg wurde der historische Stadtkern gründlich zerstört. Nur wenige alte Bauwerke wie der sogenannte „Götzenturm“ und der Bollwerksturm haben den Feuersturm überlebt, die Kilianskirche, das Rathaus, der Deutschhof und der Hafenmarktturm wurden so gut es ging nach historischem Vorbild restauriert.

Heilbronn hat zu Götz von Berlichingen offensichtlich ein gespaltenes Verhältnis. Spätestens seit dem Schwäbischen Gruß in Goethes Werk: „Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet Ihr! Bin ich ein Räuber! Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsche lecken!“ hat Heilbronn zu Unrecht ein Problem. Adressat des Spruchs war aber nicht ein Vertreter der Stadt Heilbronn sondern der Anführer des Exekutionsheeres, das Götz in Berlichingen festnehmen sollte. Heilbronn wurde vom Schwäbischen Bund als Ort der Haft festgelegt. Dass Heilbronn heute daraus kein Kapital schlägt ist mir unverständlich. 
Der geschichtsträchtige Bollwerksturm steht wie ein Fremdkörper einsam und verlassen auf einem freien Platz zwischen einem Parkhaus dem Hallenbad und einem Hotel. Die falsche Bezeichnung „Götzenturm“ für den Stadtturm an der „Götzenturmbrücke“ deutet auf ein historisch gewachsenes Verwirrspiel hin. Warum? Mir scheint, Heilbronn hat ein offensichtliches Götz-Defizit. Welchen Aufwand und Kosten würde es bedeuten, diesen Fehler der falschen Turmbenennung zu korrigieren? 

Vor genau einem Jahr habe ich den Oberbürgermeister (OB) in einem Brief auf den fehlenden Hinweis auf Götz am Bollwerksturm aufmerksam gemacht und empfohlen, dort eine Erinnerungstafel und, noch besser, auch eine Götz-Skulptur aufstellen zu lassen. Der OB verwies in seinem Antwortbrief auf zwei Texttafeln, die vor dem Umbau des Platzes rund um den Turm unter anderem auch auf Götz hingewiesen haben. Meinen Vorschlag, wenigstens diese Hinweistafeln wieder anzubringen hat er gerne aufgenommen. Die Umsetzung hat zwar einige Monate gedauert, aber inzwischen ist die Tafel wieder rechts von der Turmeingangstüre angebracht.

Man stelle sich den Götz als attraktive Bronze-Skulptur vor, der, vor dem Eingangstor zum Bollwerksturm stehend, seinen Allerwertesten in Richtung Rathaus reckt. Heilbronn könnte damit Humor beweisen und sich selbst auf die Schippe nehmen. Ein Foto bei und mit einem solchen Objekt wäre gewiss ein touristisches Highlight für alle Selfieaner. Man kann die Götz-Figur selbstverständlich optisch auch moderater bzw. „neutraler“ gestalten. Die HMG (Heilbronn Marketing GmbH) war von meinem Vorschlag, Götz von Berlichingen mit in das Heilbronn Marketing einzubeziehen nicht angetan. Mein Vorschlag blieb seinerzeit unkommentiert.

Heilbronn schmücken in der Stadt, auch dank Dr. Andreas Pfeiffer, dem ehemaligen Leiter der Städt. Museen, zahlreiche Skulpturen. Das Käthchen, geschaffen von Dieter Läpple, gibt es schon lange. Nur der Götz, der fehlt in der Stadt. Bis heute. Sollte sich dafür tatsächlich kein Sponsor finden? Der OB meinte, „der Götz wäre für eine „skulpturale Umsetzung eher nicht geeignet und die Kosten wären selbst bei einem geladenen Wettbewerb nicht darstellbar.“ Er sieht erklärtermaßen „definitiv keine Möglichkeit der Realisierung“. Ich sage: „Nichts ist unmöglich!“ Und wenn ich es, unabhängig von der letztjährigen Entscheidung des Oberbürgermeisters doch noch erlebe, dass der Götz eines Tages als Skulptur vor dem Bollwerksturm steht und die Heilbronner und seine Besucher leibhaftig erfreut, dann werde ich als Schwabe mit dem Ausdruck positiven Erstaunens sagen: „Leck´ mich am Arsch!“.

Autor:

Hans Peter Schmitt aus Bad Friedrichshall

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