Mein Lieblingsplatz

Unsere blaue Bank!

Sie ist in die Jahre gekommen. Viele Generationen hat sie überdauert. Früher strahlte sie in weißem Glanz – viele Male bekam sie einen neuen weißen Anstrich – zuletzt wurde ein blauer Farbenrest verwendet. Das Holzgerüst wurde immer wieder fest genagelt, der Unterbau aus Eisen hielt bis heute.
Die Geschichte dieser Bank ist eine Familiengeschichte – jeder hat auf der Bank schon Platz genommen.
Früher stand die Bank hinter unserem Haus am Gemüsegarten. Unsere Oma Anna pflanzte in unserem Garten alle Gemüse – und Obstsorten an, wir waren praktisch Selbstversorger.
Im Frühjahr wurden die Beete angelegt und ich durfte die kleinen Samen einstreuen. Ein weißer Schuhkarton stand immer auf der Bank, darin wurden die Saatkörner aufbewahrt. Die Oma saß mit mir auf der Bank und die kleinen bunten Samentütchen wurden durch gesehen und dann wurde entschieden, welche Samen in welches Beet gestreut wurden. Während der Gartenarbeit wurde immer wieder eine kleine Verschnaufpause auf der Bank eingelegt. Bei der Ernte wurden die gefüllten Körbe auf der Bank abgestellt. Meistens stellte meine Oma noch ein kleines Kinderkörbchen dazu mit süßen Früchtchen zum vernaschen. Ich saß dann auf der Bank, schaute der Oma bei der Gartenarbeit zu und war glücklich und zufrieden.
Abends, wenn der Vater und der Opa von der Arbeit kamen wurde die Bank zur Feierabendbank. Man trank noch ein Bier zusammen, erzählte sich von der Arbeit oder die ganze Familie versammelte sich auf und um die Bank und man vesperte zusammen. Es wurde viel geredet, gelacht, debattiert und auch Probleme wurden besprochen. Mein Bruder und ich genossen diese Zeit mit der Großfamilie sehr. Die Bank brachte die ganze Familie zusammen, das Leben war so unbeschwert und federleicht.
Doch dann traf uns das Schicksal schwer, mein Vater starb sehr früh und auf der Bank wurde nicht mehr unbeschwert gelacht, nein man saß stumm zusammen – die Trauer war groß.
Mein Bruder und ich waren inzwischen erwachsen geworden und die Bank wurde unser Treffpunkt für Klatsch und Tratsch, aber auch für ernstere tiefgründige Gespräche.
Mit den Jahren verloren wir alle Familienmitglieder, unsere Mutter haben wir noch bei uns.
Den Gemüsegarten gibt es nicht mehr und so wurde die Bank auf unsere angrenzende Obstwiese unter einen Apfelbaum gestellt. Auch hier wurde die Bank unser vertrautes Plätzchen – hier wurde bei der Obsternte eine Pause eingelegt und ich erinnerte mich gerne an vergangene Zeiten. Eine schöne Erinnerung hatte ich dann immer an meinen Opa. Wenn der erste reife Apfel am Baum hing, pflückte ihn mein Opa, mit dem Taschenmesser wurde er halbiert und wir aßen auf der Bank den köstlichen ersten Apfel zusammen. Der erste Apfel war immer der Beste. Mittlerweile gibt es keine Apfelbäume mehr, nur ein Nussbaum ist übrig geblieben.
Jetzt steht die Bank, blau gestrichen unter dem Nussbaum und immer noch ist sie unsere lieb gewonnen Bank – unser blaues Bänkchen.
Das Bänkchen hat viele Geschichten – freudige Momente – aber auch Sorgen, Ängste und Nöte mit uns geteilt.
Mein Lieblingsplatz ist nun in die Jahre gekommen, der Lack blättert ab und das Holzgestell ist leider wackelig geworden. Im Frühjahr werden wir versuchen meinen - unseren Lieblingsplatz nochmals zu reparieren und nach getaner Arbeit werden wir wieder Platz nehmen und uns an die schönen Momente auf dem Bänkchen erinnern.

Autor:

Heide Böllinger aus Bad Friedrichshall

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