Wanderbares Kreta

Anlage des verlassenen Klosters Katholikó
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Nach der Alpenüberquerung im letzten Jahr zog es mich dieses Mal nach Kreta. Ausgangspunkt der Wanderungen war ein gut geführtes Hotel in der Nähe von Georgiopolis im Westen der Insel. Für die Exkursionen genügte deshalb ein Tagesrucksack.

Die Halbinsel Akrotiri

Ausgangspunkt der ersten Wanderung war das Kloster Agia Triada, das im 17. Jahrhundert gegründet wurde und bis ins vergangene Jahrhundert eines der bedeutendsten orthodoxen Priesterseminare Kretas war. Nach Besichtigung der in Oliven- und Orangenhaine eingebetteten Klosteranlage führte der Weg weiter zum Kloster Gouverneto in eine Landschaft, die mit Pistazien, Thymian, wilden Olivenbäumen und Johannisbrotbäumen bepflanzt ist. Von dort führte unser Weg in Serpentinen auf steinigem Pfad 400 Höhenmeter steil abwärts bis zur Anlage des verlassenen Klosters Katholikó, das teilweise in grauen Fels gebaut wurde aber auch eine kleine Schlucht mit einer großartigen Steinbrücke überspannt. Auf halber Strecke lohnte sich der Blick in die Bärenhöhle, die eine geräumige Kammer mit einem großen Stalagmiten in Form eines Bären aufweist. Nach einer kurzen Rast führte uns der Weg, einer schattigen kleinen Schlucht folgend, 300 Höhenmeter stets bergauf. Die sonnige Hochebene nach einer kurzen Trinkpause verlassend, führte die Wanderung weiter durch ein idyllisches Tal zu unserem Tagesziel Stavros mit seiner malerischen Sandbucht. Dort wurde 1964 die Schlussszene des Filmklassikers Alexis Sorbas gedreht. Am Berghang erkennt man noch deutlich die Höhle, die im Film als Braunkohlebergwerk diente.

Durch die Agia Irini Schlucht

Vom südlichen Ende des Dorfes Agia Irini, auf einer Höhe von ungefähr 590m, bis nach Sougia an der Südküste am Libyschen Meer bildet die Agia Irini-Schlucht einen tiefen Einschnitt durch den westlichen Ausläufer der Weissen Berge (Lefka Ori). Entspannt gestaltete sich der Einstieg in die Schlucht. In mitten einer üppigen Vegetation führte der Weg am Bachbett entlang sanft abwärts. Das Plätschern des Wassers begleitete uns auf gut einem Drittel der 7,5 Kilometer langen Schlucht, bis es im steinigen Untergrund versickerte. Nach über einer Stunde Wanderns im jetzt abschüssigen Gelände machten wir an einem schattigen Rastplatz mit Toilette, Wasser und Sitzbänken eine erste längere Pause. Beeindruckt ließen wir die Flora auf uns einwirken. Der Diktamos hat in den steil nach oben ragenden Felsspalten der imposanten Schlucht eine Nische gefunden. Um uns herum gediehen Drachenwurz, Anemonen und Alpenveilchen. Auch im weiteren Verlauf der Wanderung war der Pfad immer gut ersichtlich und lag die meiste Zeit im Schatten von Platanen und Kiefern. Es gab einzelne Aufstiege auf der Seite der Schlucht, aber der Pfad führte immer wieder zurück in den Talboden, wo das hier ausgetrocknete Flussbett mehrere Male überquert werden musste. Stellen, an denen Vorsicht geboten ist, sind zum größten Teil durch Holzgeländer gut abgesichert. Im unteren Teil der Schlucht gab es zwei Stellen, wo wir unsere Hände zu Hilfe nehmen mussten und es erforderlich war uns gegenseitig zu unterstützen, um über ein paar grössere Felsblöcke zu steigen. Leider mussten wir uns gegen Ende der Tour mühsam einen Weg durch das mit Geröll übersäte Flussbett bahnen, weil starke Regenfälle Anfang diesen Jahres Teile des in den 1990er-Jahren angelegten Wegs unterspült bzw. weggerissen hatten. Doch als wir nach gut 500 Höhenmetern Abstieg am Ausgang der Schlucht in einer kleinen Taverne Rast machten, waren die Anstrengungen schnell vergessen.

Vom Kloster Arkadi über Elefternas nach Margarites

Das Kloster Arkadi ist das Symbol Kretas für den Widerstand gegen die Osmanische Herrschaft (1669–1897) auf der Insel. Die Türken griffen im November 1866 das Kloster an, hinter dessen Mauern sich fast 1000 Menschen verschanzten hatten. Nur 325 von ihnen waren bewaffnete Männer, die übrigen Frauen und Kinder. Zwei Tage lang dauerten die Kämpfe, dann war klar: Arkadi war nicht zu halten. Daraufhin versammelten sich Frauen und Kinder im Pulvermagazin in der Südostecke des Konvents. Um nicht von den Soldaten des Paschas vergewaltigt und als Sklaven verkauft zu werden, ließen sie sich von einem Kämpfer namens Kostas Giamboudakis in die Luft sprengen. Insgesamt machten die Türken nur 14 Gefangene, mussten selbst aber etwa 1500 Gefallene beklagen. Heute sind die Spuren des damaligen Kampfes weitgehend beseitigt, das Kloster äußerlich wieder intakt. Beim Betreten durch das Hauptportal beeindruckt den Betrachter die schöne Renaissance-Fassade der 1587 geweihten und 1927 wieder aufgebauten Klosterkirche. Während das ehemalige Refektorium und die Klosterküche umfassend restauriert wurden, hat man das Pulvermagazin, in dem Frauen und Kinder in die Luft gesprengt wurden, hingegen ohne Dach belassen. Nach einer ausgiebigen Besichtigung starteten wir mit unserer Wanderung nach Osten, das gelb-schwarze Zeichen des E4-Fernwanderwegs im Blick. Zunächst einer Fahrstraße folgend durchquerten wir kniehohes Gestrüpp, überquerten mit Zäunen gesichertes Gelände, auf dem Schafe und Ziegen weideten, um schließlich das Dorf Archea Eleftherna zu erreichen. Von dessen Ortsrand aus zeigte unser Guide den weiteren Weg, den es zurückzulegen galt: drei steile Abstiege in tief eingeschnittene Täler durch teilweise unwegsames Gelände und ebensolche kräftezehrende Aufstiege. Der Schweiß war rasch abgewischt, als wir nach dem ersten Anstieg vor den riesengroßen von den Römern in den weichen Kalkstein vorgetriebenen Zisternen standen, in die wir mit Hilfe unserer Taschenlampen auch ein Stück weit hineingehen konnten. Die beiden Felskammern mit den Zisternen sind jeweils etwa 40x25 Meter groß und bis zu 5 Meter hoch. Die Zisternen wurden über ein Aquädukt mit Wasser aus einer nahen Quelle gespeist. Weiter den schmalen Fußpfad aufwärts steigend erreichten wir einen etwa 380 Meter hoch gelegenen Höhenrücken, auf dem ein turmartiger Rest der ehemaligen Stadtbefestigung aus römischer Zeit thront. Von dort hatten wir einen fantastischen Ausblick bis zum noch teilweise schneebedeckten 2456 Meter hohen Psiloritis als höchsten Gipfel des Idagebirges. Dem Pfad jetzt in nördlicher Richtung folgend, gelangten wir nach wenigen Minuten auf eine kleine Terrasse, auf der unter alten Ölbäumen die Ruinen eines nicht näher definierten Heiligtums freigelegt wurden. Hier machten wir im Schatten der Bäume eine längere Rast und verschafften uns einen Überblick über das das antike Eleftherna: Gegründet schon von den Minoern, erlebte die Stadt jedoch erst unter den Dorern ihre Blütezeit. Wie viele andere dorische Städte liegt auch sie isoliert in extrem wehrhafter Lage hoch über dem Meer. Auch von den Römern wurde sie noch genutzt, verfiel danach aber zusehends. Nach diesem historischen Exkurs machte wir uns wieder auf unseren mit Hindernissen gespickten Weg durch archäologisches Terrain vorbei an den Ausgrabungen von Orthi Petra, deren großer Teil von einem futuristisch anmutenden, modernen Schutzdach überspannt wird, bis wir schließlich das Tagesziel Margarites vor Augen hatten. In einer eher unscheinbaren Taverne genossen wir das frisch zubereite Moussaka und stillten unseren Durst schon traditionell mit einem kühlen Radler. Bis zum Eintreffen des Kleinbusses, der uns zurück zu unserem Hotel bringen sollte, unternahm ich einen Bummel über die Dorfstraße und schaute in einige der über 20 Keramikateliers hinein, die Margarites zur Bekanntheit verhalfen.

Bergwanderung von der Askifou Hochebene zum Bergplateau Niato

In Amoudari auf der Askifou Hochebene nahm unsere Wanderung an einer von Einheimischen schon morgens gut besuchten Taverne ihren Ausgang. Im Ort der befestigten Straße aufwärts folgend, zweigten wir bald auf einen gut ausgebauten Pfad ab, der auch als Downhill- Strecke für den Radsport genutzt wird. Wenn auch der Aufstieg von ca. 400 Höhenmetern durch einen schönen Zypressenwald höchste Konzentration erforderte, so wurden wir bei kurzen Verschnaufpausen mit wunderbaren Ausblicken auf die sich vor uns ausbreitende Askifou Hochebene belohnt. Kurz schlängelte sich der Pfad jetzt vorbei an einem einsam gelegenen Haus durch eine kleine Hochebene, um dann in eine Schotterstraße zu münden, die in einer größeren Schleife bis hinauf in das Niato Plateau führte. Auf gut 1200 Höhenmetern angekommen, eröffnete sich uns ein beeindruckender Blick auf den imposanten Mount Kástro (2.218 m). Auf einem kleinen Feldweg, vorbei an einer verfallenen Zisterne, durchquerten wir die kreisrunde Schwemmlandebene nach Süden und umrundeten durch Zäune abgesperrte Weideflächen, um schließlich in einer alpin anmutenden Landschaft unseren Weg fortzusetzen. Da die Nord- Süd- Ausdehnung der Insel hier weniger als 20 Kilometer beträgt, glaubte man sowohl das Kretische als auch das Lybische Meer zum Greifen nah. In leichten Auf und Ab vertrauensvoll unserem Guide folgend, erreichten wir schließlich eine Schotterpiste, auf der wir in einem großen Bogen zum Bergdorf Imbros hinabstiegen. Auf dem Weg dorthin gelang es unserem Bergführer einen jungen Ziegenbock zu befreien, der sich mit seinen Hörnern in den Maschen eines Weidezaums verfangen hatte. Nach dieser Pfadfindertat schmeckten griechischer Salat und herzhafte Dakos in einer der urigen Tavernen des Dorfes umso besser.

Wanderung durch die Samaria Schlucht

Schon beim Eingang zur Schlucht in Xyloskalo auf 1230 Höhenmetern wird deutlich, dass wir hier, nicht wie in der Agia Irini Schlucht, dieses imposante Naturdenkmal ungestört erkunden können. Immer mehr Menschen drängten sich aus den vielen Bussen, häufig nur mit Turnschuhen oder noch ungeeigneterem Schuhwerk ausgestattet. Am Ende des Tages waren es 900 Menschen, die die Schlucht mehr oder weniger heil durchquert hatten. Vor uns lagen 18 Kilometer Fußmarsch bis zum Dorf Agia Roumeli am Libyschen Meer, davon 13 Kilometer in der Samaria Schlucht. Der schwierigste Teil der Wanderung war der Abstieg gleich zu Beginn. Mehr als einen Kilometer schraubte sich in engen Serpentinen der gut gepflegte Wanderweg mit einem Holzhandlauf nach unten. Auf diesem Teil des Weges bildet der Wald mit seinen Pinien und uralten Zypressen ein besonderes Ökosystem. Auch deshalb wurde das Gebiet 1962 zum Nationalpark erklärt. Bald kreuzte der Weg das jetzt im Frühjahr noch ergiebig Wasser führende Flussbett. Die Steine sind imposant. Es wundert nicht, dass sich um diesen Ort Legenden ranken: von Feen am kleinen Wasserfall und von Freiheitskämpfern, die sich in der Schlucht versteckten. Auch wenn sich vor und nach uns Menschen in kleineren und größeren Gruppen mehr oder weniger gewandt nach unten drängten, lohnte es sich zwischendurch stehen zu bleiben und Flora, Fauna und Felsformationen auf sich wirken zu lassen. Geologisch kann man an vielen Stellen die Faltungen der Gesteine betrachten, die beim Auswaschen der Schlucht durch das Wasser entstanden sind. Bei Kilometer 7,5 nahe dem verlassenen Dorf Samaria machten wir eine längere Pause. Heute dient es als Station der Parkranger. Früher lebten in den Steinhäusern Familien. 1965 wurden die letzten Bewohner nach Agia Roumeli umgesiedelt. Auch an diesem markanten Rastplatz gab es eine gut gepflegte Quelle, Toiletten und Abfallkörbe. Auch den hier noch heimischen kretischen Agrimi-Wildziegen erschien es angenehmer, bei den Wanderern um Futter zu betteln, als sich auf die arttypische Nahrungssuche zu begeben. Hinter Samaria begann der spektakulärste Teil der Wanderung, die enge und tiefe Schlucht. Bis zu hundert Meter hoch türmten sich die Felswände auf beiden Seiten des Streckenverlaufs. Der Weg wechselte mehrmals von einer Seite des Flusses zur anderen über zum Teil gewaltige Steine, von Millionen von Litern Wasser glatt geschliffen. Konzentration und Vorsicht waren angesagt. Dann war sie endlich erreicht, die Eiserne Pforte, der berühmteste Punkt der Schlucht, die mit drei Metern engste Stelle. Es scheint, als würden sich die Felswände in der Höhe berühren. Auf dem letzten Teil der Wanderung kreuzten wir auf einfachen Holzleitern den Fluss Tarraios mehrere Male. Dann schmiegte sich unser Pfad wieder eng an den steilen Felsen entlang. Und dann tat sich am Ende der Schlucht der überraschende Blick auf das Libysche Meer auf. Etwas erschöpft und zufrieden machten wir in einer der vielen Tavernen im Dorf Agia Roumeli Rast, um später mit der letzten Fähre nach Chora Sfakion zu gelangen, wo schon unser Shuttlebus wartete, der uns schließlich spät abends im Hotel absetzte.

Fazit

Die Wanderreise hat bei mir viele bleibende Erinnerungen hinterlassen, und ich kann jeden empfehlen, die Insel auf Schusters Rappen zu entdecken. Den Monat Mai halte ich für eine ideale Reisezeit, weil man die Insel in üppigem Grün erleben kann, zu welchem die teilweise noch schneebedeckten Berge im auffälligen Kontrast stehen, während das auf knapp 20 °C erwärmte Mittelmeer nach einer ausgiebigen Wanderung zu einem erfrischend Bad einlädt.


Tassilo Höllmann, Mai 2019

Autor:

Tassilo Höllmann aus Bretzfeld

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