Das studentische Leben fehlt

Auch für sie ist der Campus derzeit zu: Pastoralreferentin und Hochschulseelsorgerin Cornelia Reus. | Foto: Fabian Siebert

Der Campus ist zu, Vorlesungen laufen online - Corona hat für manche Studierenden aber weitere Folgen, wie Hochschulseelsorgerin Cornelia Reus weiß.

Die Auswirkungen von Corona treffen jede Gruppe auf spezifische Weise. Junge Menschen sind da nicht ausgenommen. So haben die Einschränkungen das studentische Leben in diesem Semester komplett umgekrempelt, was ganz eigene Folgen nach sich zieht. Cornelia Reus ist Pastoralreferentin in der katholischen Kirchengemeinde St. Martinus Heilbronn-Sontheim und Hochschulseelsorgerin am Bildungscampus Heilbronn sowie am Campus Sontheim. Zusammen mit ihrer evangelischen Kollegin von der Nikolaikirchengemeinde Heilbronn, Pfarrerin Christine Marschall, ist sie für das ökumenische Angebot der „Kirche am Campus“ verantwortlich. Die 31-Jährige erzählt im Interview, was Studierende über das Lernen hinaus derzeit beschäftigt.

Frau Reus, wie sieht es derzeit auf dem Campus aus?
Der Campus ist mehr oder weniger zu. So sind auch unsere Büros geschlossen. Alle Lehrveranstaltungen laufen bis zum Ende des Vorlesungszeitraums in diesem Semester digital ab. Die schriftlichen Prüfungen finden dann voraussichtlich vor Ort statt, die mündlichen Prüfungen über digitale Plattformen. Das studentische Leben fehlt.

Vermissen Sie den studentischen Betrieb?
Was fehlt, ist der persönliche Kontakt zu den Leuten. An beiden Campus-Standorten stehen normalerweise viele Türen offen. So entstehen spontane Gespräche zwischen Tür und Angel, die wichtig sind. Wir haben eine relativ große Präsenz auf dem Campus. Unsere offenen Sprechzeiten werden gut angenommen. Sie haben sich – anders als viele anfangs vermutet hatten – gut bewährt.

Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Ein großer Teil der einheimischen, deutschen Studierenden ist nicht vor Ort. Sie sind nach Hause zurückgekehrt oder gleich dort geblieben. Daher ist es schwierig, Kontakt zu ihnen aufzubauen. Wir sind auf der Suche nach digitalen Ersatzangeboten wie zum Beispiel einem Spieleabend als Videokonferenz. Beratungen laufen telefonisch oder per Videokonferenz ab.

Welche Sorgen bekommen Sie mit?
Nicht alle Studierenden können oder wollen nach Hause, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Denen, die hier geblieben sind, fällt die Decke auf den Kopf. Sie fühlen sich einsam: Was nützt es, dass man in einer WG wohnt, wenn die Mitbewohner alle weg sind. Die digitalen Wege sind da kein echter Ersatz. Und für alle gilt: Die Kosten laufen weiter.

Wer ist derzeit besonders in der Klemme?
Natürlich gibt es auch bei deutschen Studierenden schwierige Verhältnisse. Aber Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland, vor allem aus Afrika, in unserem Fall hier zumeist aus Kamerun, trifft es in besonderer Weise. Sie bekommen wenig Unterstützung von ihren Familien. Diese haben schon alles zusammengekratzt, um das Studentenvisum beantragen zu können. So leben die Studierenden von Anfang an auf Kante und finanzieren sich selbst über Nebenjobs. Nun haben viele ihren Job in der Gastronomie oder ihre Stelle als Werksstudent in einer Firma verloren. Wegen Corona hängen sie hier fest und können im Gegensatz zu ihren deutschen Kommilitoninnen und Kommilitonen nicht einfach nach Hause.

Nimmt aus diesem Grund der Beratungsbedarf zu?
Mit diesen Problemen haben wir sonst auch zu tun, merken aber, dass sie zunehmen. Die Beschäftigung mit finanziellen oder sozialen Fragen – denken Sie zum Beispiel an eine Studentin, die auf Kinderbetreuung und das Kita-Essen für ihr Kind angewiesen ist – macht gerade einen Großteil der Arbeit aus. Andere gängige Beratungsthemen wie Prüfungsangst, Trauer oder familiäre Probleme treten derzeit in den Hintergrund.

Wie kann die Hochschulseelsorge helfen?
Für Studierende aus Ländern, die zur Gruppe der schwach entwickelten Staaten gehören, gibt es einen Hilfsfonds der Diözese. Auf evangelischer Seite gibt es etwas Ähnliches über Brot für die Welt. Für alle – auch deutsche Studierende –, die durch alle Raster gefallen sind, gibt es einen von verschiedenen Seiten unterstützten Fonds. Wir sind vernetzt und versuchen, auf alle Möglichkeiten hinzuweisen und verschiedene Beratungsstellen mit einzubeziehen. Ich weiß zum Beispiel konkret von einem Fall, dass ein Student als Erntehelfer angefangen hat.

Neben der persönlichen Beratung bietet die Kirche am Campus ein Veranstaltungsprogramm an. Das musste für dieses Semester komplett abgesagt werden. Wie sieht es für das kommende Semester aus?
Für das kommende Semester haben wir vor, wieder ein Programm zusammenzustellen. Wir versuchen, einiges von dem, was jetzt ausfallen musste, noch einmal aufzunehmen. Das alles müssen wir aber erst noch planen.

Arkadius Guzy
Diözese Rottenburg-Stuttgart, 9. Juni 2020, www.drs.de

Autor:

Katholisches Dekanat Heilbronn-Neckarsulm aus Heilbronn

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