Warum sich auch Klima-Fatalisten bewegen sollten

Fast ausgetrockneter Rißbach am Karwendelgebirge im Sommer 2018 | Foto: Annamartha  / pixelio.de
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Kennen Sie auch Klima-Fatalisten? Leute, die denken: „Der Klimawandel ist eh nicht mehr zu stoppen, also sorge ich doch wenigstens dafür, dass ich mein Leben noch genießen kann“? Für die gibt es hier ein paar Fakten, rund um den "kleinen" Unterschied zwischen 1,5 und 3 Grad Celsius.

Es stimmt: Viele Prozesse wie das Korallensterben, die Pol-, Gletscher- und Permafrostschmelze und der Meeresspiegelanstieg sind bereits angelaufen. Und das, obwohl die kritische 1,5-Grad-Marke der Erderhitzung noch gar nicht erreicht ist. Das bedeutet aber nicht, dass wir die Prozesse nicht verlangsamen können - und vor allem sollten! Schränken wir den Treibhausgasausstoß nicht ein, dann wird die Erderhitzung bis Ende des Jahrhunderts global bei mindestens 3 Grad, wahrscheinlich aber bei 4 bis 5 Grad liegen. Das bedeutet, dass viele Klein- und Schulkinder von heute in ihrer Lebensspanne von den katastrophalen Auswirkungen der Erderhitzung betroffen sein werden – auch hierzulande.

Riesige Unterschiede durch ein paar Grad mehr

Auch wenn sich die Staaten beim Pariser Klimaabkommen nur auf eine Eindämmung auf plus 2 Grad einigen konnten, nötig wäre die Begrenzung auf 1,5 Grad. Den Klima-Fatalisten sei vor Augen geführt, was schon ein paar Grad Unterschied ausmachen. Bereits jetzt, bei einer derzeitigen globalen Erwärmung um „nur“ 1,1 Grad, haben wir in Hitzesommern hierzulande mit Dürren, trockenfallenden Flüssen, Waldbränden und Extremwetterlagen zu kämpfen. Dass wir bei immer häufiger auftretenden Rekordsommern evtl. unseren Rasen nicht mehr gießen, den Pool nicht mehr füllen oder auch nicht mehr jederzeit duschen dürfen, das werden wir verschmerzen. Aber dass die globalen Ströme an Waren und Lebensmittel und damit konkret das Angebot und die Preise bei Rewe, Aldi und Co. betroffen sein könnten, das wird viele von uns härter treffen.

Lebensmittelverfügbarkeit teilweise eingeschränkt

Die Veränderung der marinen Ökosysteme könnten das Fischfang-Potenzial bis 2100 um 20 bis 24 Prozent einbrechen lassen, so der Sonderbericht des Weltklimarates 2019 (IPCC). Bei 1,5 Grad ließe sich der Rückgang der Wasserverfügbarkeit bei den Mittelmeeranrainer-Staaten in Südeuropa, Nordafrika und dem Nahen Osten laut Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung auf einem Großteil der Fläche wahrscheinlich auf 10 Prozent begrenzen. Bei 2 Grad Plus schrumpfen die Wasserressourcen schon um rund 20 Prozent. Das betrifft auch die „Gemüsekiste Mitteleuropas“: Andalusien, von wo z. B. 70 Prozent aller in die EU exportierten Tomaten stammen. Auch der so genannte globale Kaffeegürtel ist betroffen: Mehr als die Hälfte der Anbauflächen für Kaffee werden nicht mehr geeignet sein, wenn die Erderhitzung nicht stärker begrenzt wird. Bis 2050 könnten Kakaobäume abgestorben sein, mahnten Forscher der University of California at Berkeley. In Zentralamerika und Westafrika würden die Mais- und Weizenernte bei einem 2-Grad-Szenario doppelt so stark schrumpfen wie bei einem 1,5-Grad-Szenario. Bei ungebremster Erhitzung ist Landwirtschaft direkt am weltumspannenden Äquator gar nicht mehr möglich. Migration, Hungersnöte und sonstige Krisen wären die Folge.

Europas Wetter wird auch im Polarkreis entschieden

Bei + 1,5 Grad wird die Arktis laut Dr. Volker Stelzer vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS), Karlsruhe, alle 100 Jahre eisfrei sein, bei 2 Grad alle 10 Jahre. Mit bekannten Auswirkungen nicht nur für Eisbär, Robbe & Co., sondern auch für unser Wetter: Ohne isolierende und reflektierende Eisschicht erwärmen sich Meerwasser und Luftschichten in der Polarregion stärker. Und das verändert wiederum Meeresströmungen und die Winde, die auch unser europäisches Wetter mitbestimmen. Veränderte „Jetstreams“ brachten uns bereits Hitzewellen und Rekordschnee. Wie verkraften das unsere Landwirtschaft, unsere Wälder und die Natur?

Den bereits angebrochenen Meeresspiegelanstieg könnte das 1,5-Grad-Szenario um 10 cm mildern, er würde dann bis Ende des Jahrhunderts „nur“ bei ca. 40 cm liegen (Quelle: UN-Weltklimarat, IPCC). Jedes halbe Grad mehr macht einen dramatischen Unterschied für geschätzt 130 Mio. Menschen weltweit, die in tiefer gelegenen Küstenbereichen bis zu 1 m über Meeresspiegel leben (Quelle: wiki.bildungsserver.de). 

Einen Unterschied machen 0,5 Grad mehr laut Dr. Volker Stelzer auch für Insekten, darunter viele Bestäuber: Begrenzen wir die Erderhitzung  auf 1,5 Grad, so liegt der Anteil an Insektenarten, die die Hälfte ihres Verbreitungsgebietes verlieren werden, bei nur 6 Prozent. Schaffen wir nur die 2-Grad-Begrenzung, dann sind es schon knapp 20 Prozent.

Begrenzung ist humanitäre Pflicht

Um es klar zu sagen: Eine langsamere Erwärmung eröffnet uns mehr Möglichkeiten, uns an die unvermeidlichen Folgen anzupassen. Und das, liebe Klima-Fatalisten, macht unser Leben deutlich angenehmer. Schon ein halbes Grad Unterschied bringt global gravierende Verwerfungen mit sich. „Der Unterschied zwischen „Katastrophe“ und „Apokalypse“ ist möglicherweise so groß wie der zwischen „Solidarität“ und „offener Barbarei“, analysiert Autor Peter Carstens in seinem Artikel zum Klimafatalismus (www.geo.de/natur/nachhaltigkeit) den Unterschied zwischen CO2-Begrenzung und Nichtstun. Und er führt damit eine wichtige, noch fehlende Betrachtungsebene ein: die humanitäre.

Am wenigsten emittiert, am meisten betroffen

Lagen die CO2-Emissionen 2018 pro Kopf in Deutschland bei 9,2 Tonnen (t) im Jahr, so waren dies in der Industrienation Indien nur 1,9 t, in Afghanistan nur 0,3 t und im afrikanischen Burundi nur 0,03 t (Quelle: EU-Kommission: Fossil CO2 and GHG emissions of all world countries, 2019 report.). Die echte, direkte existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel erfährt aber der sogenannte globale Süden. Durch die Klimakrise wird nicht nur die ökonomische Grundlage der dortigen Bevölkerung bedroht, sondern auch ihre Ernährungssicherheit. Klimagerechtigkeit tut dringend Not!

Freitag ist globaler Klimaaktionstag!

Dies alles sind gute Gründe, sich am weltweiten Klimaaktionstag am Freitag (19.3.) zu beteiligen. Denn für uns alle – Klima-Fatalist oder nicht – ist es eben nicht egal, ob wir die Erderhitzung so niedrig wie möglich halten können. Erst recht nicht für unsere Kinder und Enkel. In Heilbronn treffen sich Klimabewegte wie z. B.  der BUND und die Parents for Future um 16 Uhr am Kiliansplatz - natürlich unter Einhaltung der Corona-Regeln!

Fast ausgetrockneter Rißbach am Karwendelgebirge im Sommer 2018 | Foto: Annamartha  / pixelio.de
Autor:

BUND Regionalverband Heilbronn-Franken aus Heilbronn

Lixstraße 10, 74072 Heilbronn
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