Gute Laune im Vorstellungsgespräch ?

Eine gute Verfassung ist für den Bewerber ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Wer im Vorstellungsgespräch überzeugen will, muß mehr als lediglich gedankliche Argumente bringen, er muß als Person -oder besser: als ganze Persönlichkeit- die Botschaft vermittelt, daß er die an den neuen Stelleninhaber gestellten Erwartungen erfüllen wird. Hier spielt die Motivationsfrage eine große Rolle. Aber Überzeugungsarbeit ist naturgemäß schwer für einen Bewerber, der sich mental in einem kritischen Zustand befindet und in ein Gespräch hineingeht, das ihm mehr abverlangt als üblich. Die Suche nach einer beruflichen Existenzgrundlage oder alleine die Abwicklung einer Bewerbung ist keine Routineangelegenheit, sondern stellt in vielen Fällen einen tiefen Einschnitt im persönlichen oder familiären Bereich dar. Kommen bedrängende wirtschaftliche Einflüsse hinzu, geht es sogar um die Frage, wie ungewollte Lebenssituationen zielgerichtet bewältigt werden können, ein Umstand, der von Personalchefs und -beratern nur ungern registriert, geschweige denn berücksichtigt wird.

Beispiele aus dem Alltag

Zwei Beispiele, die vielleicht extrem wirken, aber insbesondere im momentanen Umfeld unserer Wirtschaft keine Einzelfälle mehr sind, sollen das verdeutlichen. Eduard K., 43 J., (Name geändert) saß mir als Bewerber für eine hochkarätige Vertriebsposition gegenüber. Während die Begrüßung noch normal verlief, schien eine auffällige und störende Nervosität bei meinem Gesprächspartner nicht abklingen zu wollen. Die Erklärung ergab sich von selbst als wir auf seine derzeitige Situation zu sprechen kamen. In seinen schriftlichen Unterlagen hatte er zwar seine letzte Aufgabe als Vertriebsleiter ausführlich erwähnt und beschrieben, nicht jedoch den Umstand, daß er 12 Monate zuvor dort per Aufhebungsvertag ausgeschieden war. Seitdem war er auf der Suche nach einer gleichwertigen Position. Die Arbeitslosigkeit war für ihn ein geradezu unerträglicher Makel, die familiäre Situation deshalb äußerst angespannt und die bisherige Erfolglosigkeit bei der Stellensuche hatte einen depressiven Zustand hervorgerufen. Das Ergebnis der letzten Monate drückte sich bei ihm in einer kritisch zu beurteilenden Kompromißbereitschaft aus, seine eigentlichen Absichten für die berufliche Zukunft deckten sich nur unzureichend mit dem diskutierten Positionsprofil, aber "was bliebe ihm anderes übrig, als Abstriche in Kauf zu nehmen".

Dr. Konrad V., 49 J. hatte als Naturwissenschaftler eine gewissermaßen perfektionistische Ader. Das Unternehmen, in dem er als Prokurist seit mehr als 10 Jahren tätig war, trieb auf eine existentielle Krise zu, was ihn veranlaßt hatte, sich am Arbeitsmarkt umzusehen -mehr als ein Jahr lang ohne Erfolg. Er wurde trotz intensiver Bemühungen nicht zu persönlichen Vorstellungen eingeladen. Dann kam es zu dem von ihm befürchteten Schritt der Geschäftsführung und man überreichte ihm die Kündigung. Obwohl er darauf gefaßt war, löste die Situation vor dem Hintergrund der bislang negativen Ergebnisse seiner Bewerbungen einen Existenzschock aus. Seit Monaten litt er schon unter dem Eindruck, daß er sich zu sehr spezialisiert hatte und seine Qualifikation nicht mehr in der Breite gefragt zu sein schien. Zweifel an den eigenen Fähigkeiten beschlichen ihn, auch hier kam der Gedanke an das "Gnadenbrot für die letzten 10 Jahre", sein Perfektionismus und die damit verbundenen übersteigerten Erwartungen an die eigene Leistung versagten ihm die Vorstellung, daß er die richtige Aufgabe zum Durchstarten finden könnte.

Keiner dieser beiden Herren war in der Lage, die hohen Anforderungen eines Vorstellungsgesprächs psychisch so zu bewältigen, daß man ihnen eine innere Antriebskraft und ausreichende Zielidentifikation abgespürt hatte.

Nun gibt es sicherlich auch fließende Grenzen zwischen derartigen Problemsituationen und einer lediglich schlechten Tagesverfassung. Letztere aber kann schon ausreichen, um verheißungsvolle Chancen vorbeiziehen zu lassen.

Leistungsmindernde Einflüsse

Welche Einflüsse können die Gesprächssituation beeinträchtigen und wie kann ihnen entgegengewirkt werden ?

• Ein mangelnder innerer Antrieb, neue Anforderungen anzunehmen.
Vielleicht erfolgt die Bewerbung gezwungenermaßen oder der Bewerber geht still davon aus, daß er sowieso nur vom Regen in die Traufe kommt. Nach vielen Jahren des beruflichen Engagements stellt er plötzlich fest, daß er mehr mechanisch und gewöhnungsmäßig "den Job" so gut gemacht hat wie es ging. Aber es fehlt ihm eine innere Begeisterung Das, was man im Englischen "Burnout" nennt, ist oft das Problem. Gemeint ist ein Zustand des gefühlsmäßigen Ausgebranntseins, weil Hoffnungen begraben, Visionen verschüttet, einstige Ziele als unerreichbar abgehakt wurden, stattdessen hat man sich mehr mit Enttäuschungen und der unendlichen Geschichte betrieblicher Alltagsprobleme befassen müssen. Aber wer sich nicht für eine Sache begeistert, kann sich naturgemäß auch nicht wirklich engagieren - und das merkt ein erfahrener Interviewer trotz intelligenter Argumente und verbaler Beteuerungen. Der Bewerber muß nicht unbedingt in der berüchtigten Krise stecken, in der er sich fragt, ob das nun alles war, was hinter ihm liegt. Was ihm fehlt ist eine motivierende berufliche Vision, ein wirklich neuer Anreiz, Verschüttete Vorhaben dürfen hier herausgeholt und neu überdacht werden. Dazu ist es erforderlich, ein Stück Vergangenheit einmal grundlegend aufzuarbeiten und Spreu vom Weizen zu trennen. Nicht die Fakten des Fachwissens machen den Erfolg aus, sondern die innere Antriebskraft, die freigesetzt wird, wenn Kernelemente der eigenen Persönlichkeit eingebracht werden. Wo sind also die Tätigkeiten oder Aufgabeninhalte, die bislang Befriedigung und Fortschreiten ermöglicht haben und wo die auferzwungene, nervtötende Routine, die nur noch aus Disziplin und Pflichterfüllung heraus erledigt wurde ? Wer diese Inhalte voneinander trennen und unterscheiden kann, kommt zurück zu den Faktoren, die den "inneren Motor" antreiben. Das ist die Grundlage für eine berufliche Neuorientierung, die allerdings in der Vorbereitung ein wenig Zeit erfordert - Zeit, die sich bei den dann folgenden Schritten auszahlt, nicht zuletzt, weil bei einer späteren Stellenauswahl eine qualitativ bessere Entscheidung möglich wird, Äußerlichkeiten, wie zum Beispiel berufliche Statussymbole, an Gewicht verlieren, primäre Aufgabeninhalte dagegen stärker berücksichtigt werden.

• Mangelndes Zutrauen in die eigenen Erfahrungen bzw. Qualifikation.
Das läßt den Bewerber nicht unbedingt überzeugend auftreten. Oft fehlt ein geeigneter Ein- oder Überblick in andere Firmenstrukturen. Das ist ein gängiges Problem bei Bewerbern, die langjährig in einem Unternehmen tätig waren und dadurch quasi in eine Isolation geraten sind. Das Sammeln von Informationen bringt in vielen Fallen schnelle Abhilfe, insbesondere die unkritische Wahrnehmung von Vorstellungsgesprächen verhilft wieder zu neuen Perspektiven und einer besseren Selbsteinschätzung.

• Es sind bereits viele Absagen auf Bewerbungen gekommen
Nicht immer stimmt der eigene Eindruck, daß es tatsächlich viele gewesen sind. Einige Dutzend schriftliche Bewerbungen sind alles andere als ungewöhnlich. Je mehr persönliche Gespräche stattgefunden haben, um so besser. Das trainiert und schafft eine gewisse Routine, die bei der später erforderlichen Entscheidung für oder gegen ein Vertragsangebot sehr dienlich sein kann. In der Regel läßt sich herausfinden, woran man "gescheitert" ist. Zumindest wenn ein persönliches Gespräch stattgefunden hat, sollte man sich telefonisch dafür interessieren. Auch an schriftlichen Unterlagen läßt sich immer etwas verbessern, hier benötigt man Ideen und Anregungen, nach Möglichkeit von Außenstehenden, damit die eigenen gedanklichen Grenzen einmal durchbrochen werden. Das eigentliche Problem besteht zumeist in den selbst gesetzten zeitlichen Vorstellungen und darin, daß eine Bewerbung anstrengend sein kann, insbesondere, wenn man immer wieder von vorne anfangen muß. Wer wie viele andere Ausdauer und Hartnäckigkeit entwickelt, wird feststellen, daß oft nur eine Kleinigkeit im Auftreten, in der Argumentation, in der Darstellung oder auch nur im Aussehen der schriftlichen Unterlagen angepaßt werden muß, um endlich zum gewünschten Erfolg zu kommen Hierbei muß allerdings vorausgesetzt werden, daß die Diskrepanz zwischen Erfahrungs- und Positionsprofil nicht zu groß sein darf. Wer sich auf alle möglichen Stellenausschreibungen bewirbt, die gar nicht wirklich zu ihm passen, sollte sich besser über kommentarlos zurückgesandte Unterlagen nicht wundern und schon gar nicht dadurch entmutigen lassen.

• Längere Arbeitslosigkeit
Hier leidet mit den Wochen und Monaten das Selbstwertgefühl beträchtlich. Schamgefühle sind allerdings nicht angebracht, auch wenn immer wieder einmal bei Gesprächspartnern Vorurteile abzubauen sind. Aber selbst hochkarätige und erfolgreiche Führungskräfte sind zum Teil erst nach einem Scheitern, verbunden mit einer Zeit der Arbeitslosigkeit, in erfolgreiches Fahrwasser hineingekommen. Hier hilft nur unentwegte Aktivität. Kontakte knüpfen, am Ball und "in Bewegung" bleiben ist das Wichtigste. Wer sich zu Hause eingräbt und darauf wartet, daß ihm die richtige Stelle von alleine im Wohnzimmer begegnet, wird irgendwann zwangsläufig depressive Einflüsse spüren.

• Existentieller und familiärer Druck.
Ein Verkäufer macht oft dann die besten Abschlüsse, wenn er es gerade nicht nötig hat, Der Grund dafür ist, daß er in innerlich frei von Zwängen ist. Gedankliche Freiheit und Beweglichkeit in einem Interview kann erheblich eingeschränkt werden durch Streß, u.a. durch wirtschaftliche Zwänge bedingt. Oft wird zusätzlich vom Ehepartner dieser Druck verstärkt, indem er mit Erwartungen an eine kurzfristige Veränderung der Situation drängelt. So ist schon manch ein Bewerber in ein Gespräch hineingegangen, das er selbst eigentlich nicht wollte, sondern weil er es als Alibi benötigte. Da ist es besser, konsequent die eigenen Vorstellungen zu verfolgen und sich selbst und der Familie gegenüber in Offenheit zu begegnen. Die Chance besteht, daß Verständnis erzeugt wird und wirtschaftliche Engpässe vielleicht auch einmal objektiviert werden.

Umgang mit der Tagesform

Die Tagesform, mit der ein Vorstellungsgespräch angegangen wird, kann zumindest leichte Anpassung erhalten. Wer pünktlich seinen Termin wahrnimmt, hat gewiß auch noch einige Minuten Zeit, sich zu konzentrieren und zu sammeln. Welches Ziel soll im Gespräch konkret erreicht werden? Will ich lediglich eingehendere Informationen, unter allen Umständen ein Vertragsangebot (obwohl eigentlich noch unklar ist, worum es detailliert geht?) oder lediglich noch ein besseres Gehalt aushandeln. Wer ein Ziel klar erfassen kann, tut sich leichter, es auch zu erreichen. Wer dagegen in seiner inneren Einstellung als Verlierer hineingeht, wird auch tatsächlich als Verlierer herauskommen. Wer aber die Absicht verfolgt, mit seinem Gesprächpartner zunächst die Frage etwaiger Übereinstimmungen von Vorstellungen zu klären, wird spürbare Fortschritte erzielen.

Soll bei all dem eine gute und dauerhafte Grundlage erreicht werden, erfordert eine erfolgreiche Bewerbungsphase, gleich für welche Aufgabe und Position, den Blick und die Bereitschaft für einen längerfristigen Prozeß.

Autor:

Philipp Egger aus Heilbronn

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