Lausbubengeschichten von Bruno Gässler 4: Ich bin das ganze Jahr vergnügt

So brav war Bruno Gässler selten! Familienfoto mit Mutter Klara, Schwester Hildegard und Vater Johann Gässler
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Auszug aus dem Vorwort:

Von mir als Kleinkind ist nur wenig zu berichten, nur so viel, ich wuchs als Einzelkind auf. Wir hatten in unserem Dorf keinen Kindergarten. Als Lehrer hielt es unser Vater für sehr wichtig, dass Kinder einen Kindergarten besuchen sollten. So kam meine Schwester zu den Großeltern in einem anderen Ort.Es mag zwar etwas derb klingen, wenn ich jetzt behaupte, dass wir als Familie von Vater wenig hatten. Er war als Küsterlehrer so ausgelastet, dass für die Familie wenig Zeit blieb.
So war ich eben auf Mutter angewiesen. Sie gab sich alle Mühe meine Fähigkeiten zu fördern. Diese waren zwar vorhanden, gingen aber leider in die falsche Richtung. Musste ich einen Liedvers aus dem Gesangbuch lernen, das dauerte eine Ewigkeit, bis der saß. Dagegen brauchte ich bei Lumpenliedchen oder Gassenhauern nur einmal hinhören, und schon konnte ich sie wiedergeben. Dies natürlich zum Leidwesen meiner Eltern, hauptsächlich meines Vaters, der ja einen wohlerzogenen und anständigen Sohn wollte.
Vater fühlte sich also leider oft dazu gezwungen, seinem Sprössling im Bedarfsfalle eine Tracht Prügel zu verpassen. Diese Bedarfsfälle waren auch gar nicht so selten.Ich muss gestehen, dass ich deshalb meinem Vater nie gram war, denn wenn ich einen Streich ausheckte, war die Strafe schon mit einkalkuliert.


Ich bin das ganze Jahr vergnügt

Gesang war, (wie schon aus meinen vorigen Erzählungen bekannt)* meine Stärke. Zu meiner Freude hat man damals in der Schule viel gesungen. Vater, der auch gleichzeitig mein Lehrer war, hat die Singstunde sehr ernst genommen und mit uns die meisten Lieder dreistimmig eingeübt. Wir hatten also einen richtigen Schülerchor.

An besagtem Tag wurde das Lied „Ich bin das ganze Jahr vergnügt“ gesungen. Die einzelnen Stimmen sangen klar und sicher, so dass Vater mit uns sehr zufrieden war. Wir sangen die vierte Strophe „dann kommt die kalte Winterszeit“, da heißt es: „das ganze Feld ist kreideweiß und auf der Wiese nichts als Eis“, ja, und da wurde ich wohl etwas übermütig, und ich sang: „... auf der Wiese nichts als Scheiß“.

So wie Vater jeden falschen Ton sofort gehört hat, so auch jedes falsche Wort. Sofort wurde der Gesang abgebrochen. Mit scharfer Stimme und eben solchem Blick kam die Frage: „Wer war das?“ Totenstille. Noch einmal kam die Frage, aber diesmal noch schärfer. Ich wurde immer kleiner. Die Mitschüler verrieten mich nicht, mit keinem Wort, doch alle Augen starrten auf mich wie die Schlange auf die Maus. Die dritte Frage war direkt an mich gerichtet: „Warst du das?“ Ein kaum vernehmbares „Ja“ ertönte, und in diesem Augenblick hatte ich auch schon links und rechts eine Ohrfeige erwischt. Dies war wieder so ein Fall, wo die Strafe mit einkalkuliert war.

Vater setzte sich wieder ans Harmonium als ob nichts geschehen sei, und die fünfte Strophe wurde angestimmt. Als wir dann sangen „So geht´s jahraus, jahrein mit mir, ich danke meinem Gott dafür“, stand ich da und sang heulend mit. Da ging plötzlich ein Gelächter los und keiner konnte sich zurückhalten. Sogar Vater schien jetzt den Hintersinn dieses Textes zu bemerken und lachte auch herzhaft mit, dann rief er so laut, dass es jeder hören konnte: „Pause!“

*Zusatz in Klammern: Angelika Di Girolamo 

Autor:

Angelika Di Girolamo aus Künzelsau

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