Mastschwein auf der Weiden
Liebe Gemeinde,
der Herr sei auch diesmal mit Euch. Silvester und Neujahr nahen und so begab es sich zu diesen Tagen, dass meine Sinne gewahr wurden des abertausendfachen Genozids an süßen kleinen Glücksschweinchen, die auf den deutschen und chinesischen und erdweiten Wintergrills voller Erwartung der Verschlingung durch den Menschen entgegenbruzzeln. Es geht eben nichts über einen knusprigen Schweinebauch. Fett ist ein international anerkannter Geschmacksträger.
Ich hatte umgehend eine Erscheinung und kam nicht umhin, zur Feder zu greifen und meine Ode an das ganz gemeine Schwein zu schreiben. Mir stoben sofort rythmische Anklänge an Johann Wolfgang von Goethes Heidenröslein durch den Kopf, dessen Wortlaut und Melodie Euch sicherlich aus Eurer Kindheit geläufig ist. So suchte ich bei meiner Schöpfung unterwürfigst die größtmögliche Nähe zu unserem großen Meister, betreffend der mißratenen Reime und der mißachteten Grammatik.
Frei nach Johann Wolfgang von Goethe:
Das Weidenmastschwein
Sah die Magd ein Mastschwein stehn,
Mastschwein auf der Weiden,
war so fett und fraß so schön,
ihr könnt es auf der Zunge zergehn,
sah’s mit hungrig Freuden.
Mastschwein, Mastschwein, Mastschwein fett,
Mastschwein auf der Weiden.
Mägdlein sprach: ich schlachte dich,
Mastschwein auf der Weiden!
Mastschwein sprach: Ich küsse dich,
dass du ewig riechst nach mich,
mein Tod mag ich nicht leiden.
Mastschwein, Mastschwein, Mastschwein fett,
Mastschwein auf der Weiden.
Doch die gierig Magd es stach,
‘s Mastschwein auf der Weiden;
Mastschwein wehrte sich und sprach:
Erspar mir doch die Pein und Schmach,
lass es für immer bleiben!
Mastschwein, Mastschwein, Mastschwein fett,
Mastschwein auf der Weiden.
Mägdlein war zutiefst gerührt,
von Mastschwein auf der Weiden.
Die Fleischeslust war überführt!
Achtung dem, dem Achtung gebührt!
Tierwohl auf alle Zeiten!
Mastschwein, Mastschwein, Mastschwein fett,
Mastschwein auf der Weiden.
Johann Wolfgang von Goethes Gedicht von 1789:
Das Heidenröslein (Bild2)
Sah ein Knab’ ein Röslein stehn,
Röslein auf der Heiden,
War so jung und morgenschön,
Lief er schnell es nah zu sehn,
Sah’s mit vielen Freuden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Knabe sprach: ich breche dich,
Röslein auf der Heiden!
Röslein sprach: ich steche dich,
Daß du ewig denkst an mich,
Und ich will’s nicht leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Und der wilde Knabe brach
’s Röslein auf der Heiden;
Röslein wehrte sich und stach,
Half ihm doch kein Weh und Ach,
Mußt’ es eben leiden.
Röslein, Röslein, Röslein roth,
Röslein auf der Heiden.
Zu geschichtlichen Hintergründen und Vertonung sehet Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heidenr%C3%B6slein
Goethes Gedicht hat unbestritten Strahlkraft bis in die heutige Zeit.
Nichts desto trotz wünsche ich uns allen und unserer Umwelt Gesundheit im neuen Jahr. Ehrfürchtig sich verneigend und 3scheinheiligst, Frater Richard
Autor:Richard Clos aus Ittlingen |
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