Harald Ebner, MdB Grüne: Statement zur Demo Forchtenberg Sa 22. August
Wir Grünen sehen die Grundrechtseinschränkungen mit großer Sorge und sind an der Seite jedes Bürgers, der sich immer wieder aufs Neue fragt: Ist dieser Schritt notwendig oder überzogen? Wir hinterfragen jede Einschränkung und haben bereits erfolgreich zum Beispiel verhindert, dass der Gesundheitsminister alleine über das Eintreten der Notlage entscheiden kann. Jetzt entscheidet das Parlament. Wir sind wie jeder Bürger betroffen von den Verboten und Einschränkungen, privat und als Partei. Und jeder, der uns sagen kann, was gegen das Virus hilft, und wie wir einen erneuten heftigen Ausbruch mit erneutem Shutdown verhindern können, ist willkommen, das zu tun.
Es ist aber mit Sicherheit in Deutschland so, dass jederzeit während dieser Krise die demokratischen Funktionen voll erhalten sind. Die Gerichte, auch das Verfassungsgericht, haben dort korrigiert, wo es überzogene Anordnungen gab, die von den Städten, Kreisen und Ländern unterschiedlich je nach Einschätzung der regionalen Lage verhängt werden.
Es ist ein stetiges Abwägen. Und es ist gut, dass wir genau hinschauen.
Aber es ist ebenso wichtig, dass wir die Risikogruppen vor Ansteckung schützen.
Dafür trage ich eine Maske. Sie erlaubt es mir, mich mit anderen unter Einhaltung der Abstandsregel zu treffen, mit der Bahn zu fahren, meine Eltern ins Café einzuladen und einkaufen zu gehen. Sie ermöglicht es dem Handel, die Türen zu öffnen, dem Friseur und vielen anderen, ihren Beruf auszuüben, den Kindern, die Kitas und die Schule zu besuchen. Die Regeln und die Maske sind leider noch der Schlüssel zum öffentlichen Leben.
Eine weitere Schließung werden sehr viele Geschäfte, Gastbetriebe und Kulturtreibende nicht überstehen! Wer einen solchen Zusammenbruch riskiert, riskiert unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und spielt damit gerade den Kräften in die Hände, die unsere demokratische Gesellschaft und damit die Grundrechte aushebeln wollen. Diese Kräfte, die vor Corona die Geflüchteten missbrauchten, um zu spalten, schüren nun gezielt Wut gegen Masken und Auflagen. Aus dem Unmut über die Einschränkungen soll das Feuer der Wut entfacht werden. Und genau daraus können dann die unmenschlichen Zustände entstehen, gegen die Sophie und Hans Scholl sich gewehrt haben.
Lasst uns also gemeinsam dafür sorgen, dass diese demokratiefeindlichen Kräfte die Krise nicht gegen uns nutzen können, und wir gemeinsam durch diese Zeit kommen!“
Sehr geehrter Herr Ebner,
Ihre Worte sollen den Eindruck erwecken, als spreche durch sie die Stimme der Vernunft. Das kann ich verstehen. Sie wollen Ihre potentiellen Wähler glauben machen, Ihre Partei habe dafür gesorgt, dass die „demokratischen Funktionen voll erhalten“ geblieben seien, ja Sie behaupten allen Ernstes, dass die von Ihrer Partei mit zu verantwortenden drastischen Maßnahmen des Lockdowns unter „stetigem Abwägen“ erfolgt seien. Sie propagieren den von zahlreichen Wissenschaftlern als unsinnig und kontraproduktiv konstatierten Lappen vor dem Gesicht, in Corona-Neusprech wohlweislich zu „Alltagsmaske“ umbenannt, als Schutzmaßnahme für die „Risikogruppen“ und als „Türöffner“ für ein Leben in Normalität.
Ich könnte Ihnen zu jeder dieser Behauptungen vernünftige Gegenargumente unterbreiten, die zeigen, dass Sie eben nicht „genau hinschauen“, sondern sich mit Ihrer Sicht der Dinge himmelweit von der Wirklichkeit entfernt haben. Sie leben als Repräsentant der Regierungspolitik in einer selbstgeschaffenen fable convenue, weil Sie von Anfang an nicht bereit waren, ein kultiviertes Gespräch unter Einbeziehung unterschiedlicher Sichtweisen und Erkenntnisse zuzulassen. Ihr Verständnis der Realität beruht daher auf zahlreichen unbewiesenen Voraussetzungen, sowohl was die medizinische Einschätzung der „Corona-Pandemie“ betrifft, als auch die politischen, sozialen und ökonomischen Folgen der angeblich notwendigen Maßnahmen. Ich darf Ihnen sagen, da Sie es offenbar noch nicht bemerkt haben, dass dies immer mehr Menschen bewusst wird und die Aufarbeitung der Verantwortlichkeiten schon ein erhebliches Stück vorangeschritten ist. Genau darin werden sich aufgeklärte Demokratie und freie Gesellschaft beweisen, nicht im kritiklosen Befolgen von Erlassen und Maßnahmen, von Ihnen als „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ beschönigt.
Dass immer mehr Menschen aus der medial verordneten Angststarre erwachen und die so griffig propagierten „AHA“-Maßnahmen als unverhältnismäßig, sozial grausam und besonders für Kinder und „Risikogruppen“ traumatisierend wahrnehmen, ist ein vielfach erkenntnisgestützter vernünftiger Vorgang und ein Zeichen von gesellschaftlicher Reife. Sie möchten diese Menschen zu Wutbürgern degradieren und stellen damit die Realität auf den Kopf. Ich sehe, wenn ich die Augen und Ohren aufmache, bei den weitaus meisten Demonstranten den entschiedenen Willen zur gesellschaftlichen Autonomie und Pluralität, wie ich sie früher einmal von Ihrer Partei erwartet habe. Ich sehe aber auch Wogen von angstgetriebenen, wütenden und hasserfüllten Stimmungen dem entgegenschlagen, von Politik und Medien aufgepeitscht: Covidioten, Impfgegner, Esoteriker, Verschwörungstheoretiker, Rechte, und vieles mehr, was die Schreckenskammer gesellschaftlicher Vorurteile und Diffamierungen zu bieten hat.
Angst macht blind und gehorsam. Wenn Sie die Flugblätter und Briefe der Weißen Rose aufmerksam studieren, werden Sie bemerken, dass es diesen mutigen jungen Menschen in allererster Linie darum ging, ihre Mitmenschen aus dem persönlichen Untertanengeist und dem gesellschaftlichen Gleichschritt zu erlösen und ihnen die Augen für die Realität zu öffnen. „Wenige nur erkannten das drohende Verderben…“. Natürlich haben wir es heute nicht mit der gleichen faschistischen Barbarei zu tun. Die Formen der Entmündigung, der gesellschaftlichen Ächtung und des Gesinnungsterrors sind subtiler und schwerer zu durchschauen. Ihr Rassismus basiert nicht auf völkischem Nationalismus, sondern auf globalem Biologismus. Die Zwänge, die den Menschen von der „Last der freien Entscheidung entbinden“ sollen, sind universeller. Als Historiker habe ich mich gründlich genug mit gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen und politischer Manipulation auseinandergesetzt, um laut und deutlich die Alarmglocken hören zu können. Vielleicht sollten auch Sie noch etwas aufmerksamer hinhören.
Mit freundlichem Gruß
Heinz Mosmann