Naturentfremdung. Kullernde Birnen - die neue Kindergefahr?

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Wie weit sind wir gekommen, dass plötzlich am Boden liegende Birnen als Gefahr für Kinder eingestuft werden? Alte Obstbäume auf Spielplatz in Pfaffenhofen sollen gefällt werden.

Seit Jahrzehnten steht auf dem Spielplatz vom Wohngebiet Gehrn in Pfaffenhofen ein alter Baumbestand aus Birnen, Walnüssen, Kirsche. Das Wohngebiet rechts der Zaber ist in den 1990ern entstanden. Die sieben auf dem Spielplatz stehenden Bäume sind in drei Reihen angeordnet und stellen noch den alten Baumbestand der ehemaligen Streuobstwiese dar, wie sie vor dem Baugebiet stand. Ein Eindruck, welcher Streuobstgürtel Pfaffenhofen einst umgab machte bis 2019 die an Gehrn anschließende Obstwiese, gemischt mit Feld und Wiese, die dann aber leider für Gehrn West zum Opfer fielen.

30 Jahre tollten also Kinder im Einklang mit den Bäumen auf dem Spielplatz umher. Das Gelände ist ein wirkliches Kleinod und für Kinder höchst interessant. Denn es ist nicht einfach plan und steril mit den typischen Siedlungsbäumen und womöglich Thuja/ Kirschlorbeer eingezäunt. Nein, es ist sehr bewegt, hat Hügel, Einschnitte und Senken. Darüber erheben sich die Wipfel eines großen Kirschbaums, weitere große Walnußbäume und Birnbäume.

Die Kinder können im Jahreslauf die Baumblüte, das Summen und Brummen der Insekten, das Reifen der Früchte erleben. Und im Spätsommer/ Herbst können sie sogar Birnen und Walnüsse aufsammeln und essen. Selbst was am Boden bleibt, sind Objekte zur Beobachtung und Spiel. Die Bäume bieten zudem mit ihren dicken Stämmen und Kronen Versteck- und Spielmöglichkeiten und spenden in den immer heißer werdenden Sommern Schatten, schaffen ein gutes Mikroklima.

Nun ist eine merkwürdige Gesellschaft aus der Bevölkerung an die seit Juni amtierende Bürgermeisterin Kieninger herangetreten, dass die am Boden liegenden Birnen eine Gefahr für die Kinder seien. Sie könnten ausrutschen. Einige Birnen kullerten an den Auslauf der Rutsche.
??? Seit wann kann Obst Kinder gefährden ??? Obstbäume gehörten schon immer zum Siedlungsbereich, wo sich auch Kinder bewegen. Gut 3 Jahrzehnte lang konnte sie sich mit der "großen Gefahr" dieser Bäume arrangieren. Es gehört zum Alltag eines Kindes, dass es auch mal fällt, sie sind mit Körperbau und Proportionen kein alter gebrechlicher Mensch.

Wie dumm, dass so ein Baum seine reifen Früchte einfach fallen läßt. Bürgermeisterin Kieninger hatte nun im Oktober einen Spaziergang mit der Bürgergesellschaft. Dabei stellte man fest, dass "die Obstbäume wohl ersetzt werden müssten", so BM Kieninger in ihrem wöchentlichen Bericht in der RMZ vom 8.10.21. Eine verharmlosende Umschreibung für das Fällen und Töten erwachsener Bäume. Es würden auch nicht nur Bäume getötet, es würden auch ganze Habitate für allerlei Käfer, Bienen, Vögel und andere Arten vernichtet werden.

Wie weit ist die Entfremdung von der Natur in diesem Landstrich schon gekommen? Die Früchte der Obstbäume stören, aber eine neue LKW-Straße quer durch Pfaffenhofen für die Industrie, Panzer-SUVs, Beeinträchtigung der Luft und Freiraum durch die Raum einnehmende Industrie stören wohl nicht das gedeihen?
Und wieso können nicht die ängstlichen Eltern die Birnen einfach beiseite räumen?

Nun ist Eile geboten, denn schon hat der Gemeinderat eine "Modernisierung" genehmigt.  Auch hier wird das Töten der Bäume mit "eine neue Bepflanzung soll berücksichtigt werden" umschrieben. Warum nennt man das Kind nicht einfach beim Namen? Bäume sind doch nicht einfach nur Objekte, die man beliebig austauschen kann.
Eine Initiative wird nun der Bürgermeisterin ein Konzept zur Abräumung des Obstes vorlegen.

Das Naturverständnis lässt sehr zu wünschen übrig. Die Veränderung in der Welt, Gesetze, Ziele und Standards kommen im Zabergäu nicht an.

Im August 2020 trat das Biodiversitätsstärkungsgesetz Baden-Württemberg in Kraft. Darin heißt es:
»(1) Die öffentliche Hand trägt für den Artenschutz
eine besondere Verantwortung
. Auf öffentlichen
parkartig oder gärtnerisch gestalteten
Grünflächen
sowie im Umfeld von öffentlichen
Einrichtungen soll eine insektenfreundliche Gestaltung
und Pflege erfolgen
.

Vollmundig sagten die Minister in der PM vom 19.6.21:
Der Gesetzesentwurf ist ein Meilenstein für das Land. Es handelt sich um
das ehrgeizigste Gesetzesvorhaben zur Stärkung der Biodiversität in Deutschland
. Wir schützen damit nicht nur die Artenvielfalt, sondern stärken auch die bäuerliche Landwirtschaft. Auf diese Weise werden Naturschutz und Landwirtschaft miteinander versöhnt.“
Die Gesetzesnovelle ist die Weiterentwicklung des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“. Sie greift viele der Punkte auf, die sowohl dem Trägerkreis des Volksbegehrens als auch den Bauernverbänden mit ihrem Volksantrag wichtig waren.
„Der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, betonten Untersteller und Hauk unisono. Daher sehe der Entwurf nicht nur Regelungen für die Landwirtschaft, sondern auch das Land selbst, die Städte und Kommunen sowie Privatpersonen vor.

Im folgenden Bilder vom Spielplatz, Blick auf das Gebiet und RMZ (Rundschau mittleres Zabergäu)

Privatperson:

Matthias Böhringer aus Pfaffenhofen

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17 Kommentare

Privatperson
Wander Gaby aus Heilbronn
am 04.11.2021 um 12:00

Ich habe mal "gefällt mir" angeklickt.... obwohl mir solch komische Ideen von Eltern nicht gefallen.
Es sind wahrscheinlich die gleichen, die dann, wenn die Bäume gefällt würden, gleich nach Sonnensegel schreien, weil die lieben Kleinen dann nicht mehr im Schatten der Bäume spielen können.
In was für einer irren Welt wir leben.

Privatperson
Hans Peter Schmitt aus Bad Friedrichshall
am 07.11.2021 um 12:01

Wenn man in den 50er und 60er aufgewachsen ist, kann man bei diesem Thema nur den Kopf schütteln. Wen die Birnen wirklich stören, der sollte einfach seinen Fächerbesen oder einen Rechen mitbringen und die "lästigen" Birnen zur Seite kehren. Schon ist das "Problem" behoben. Aber Eigeninitiative ist heutzutage ein Fremdwort.

Wenn ich manche junge Mütter und Väter auf dem Spielplatz sehe, rauchend und permanent aufs Handy blickend, denke ich "hä?". Wenn es da mal das Kind beutelt, sehen sie es wenigstens nicht. Das ist jetzt die neue Realität, aber das muss und kann ich nicht verstehen.

Privatperson
Anneliese Herold aus Oedheim
am 09.11.2021 um 16:42

Herr Böhringer, Hut ab vor Ihnen!
Solch engagierte aufklärende, puplikmachende Menschen wie sie gibt es viel zu wenige!

Weiter so, ich folge Ihnen gerne, Grüsse aus Oedheim