75 Jahre Stimme oder Wie Zeitung lesen Leben retten kann

Stimme-Hochhaus im Juli 2020

Ich muss etwa 8-9 Jahre alt gewesen sein, also vermutlich war es 1959, als sich die Geschichte ereignete, die ich hier zum Stimme-Jubiläum erzählen möchte.

Nach dem Mittagessen begann ich wie immer die Stimme zu lesen, meine Mutter ging zum Geschirrspülen in die Küche, damals natürlich noch von Hand. Vorher hatte sie mir noch aufgetragen, ein paar Kleinigkeiten beim Lädchen in der Nähe zu kaufen. Das war noch ein richtiger Tante-Emma-Laden und zum Milch kaufen ging man mit der Milchkanne. Hinter mir im Kinderbettchen schlief meine kleine Schwester, etwa zwei Jahre alt.

Nach kurzer Zeit kam meine Mutter nochmal rein: "Du sollst doch einkaufen gehen!" Ich, altersgemäß: "Gleich, erst les ich diesen Artikel fertig!" Kluge Mütter sparen sich da unnötigen Streß ;-)

Mutter also wieder in die Küche, ich weitergelesen. Bis mir auffiel, dass hinter mir kein Atemgeräusch mehr zu hören war. Nachgeschaut - tatsächlich, meine Schwester atmete nicht. Ich  rannte laut rufend über den langen Flur: "Sie schnaufd ned, sie schnaufd ned!!!".

Mutter rannte ins Wohnzimmer, nahm meine Schwester auf den Arm und klopfte ihr auf den Rücken. Nichts. "Schnell, ruf den Doktor!" Telefon hatten wir damals noch nicht, genausowenig wie einen Fernseher. Ich also zwei Treppen runter, bei unseren Vermietern, der Metzgerei Lustig, Sturm geklingelt. Frau Lustig wählte für mich und ich schilderte der Sprechstundenhilfe panisch das Problem: "Mei Schweschder schnaufd net!" "Der Doktor kommt!".

In meiner Panik rannte ich dann in die nicht weit entfernte Praxis von Dr. Krumpe, um dort die Dringlichkeit nochmals zu unterstreichen.

Der Doktor setzte sich auch gleich in's Auto und ich rannte zurück zu unserer Wohnung, wo ich gleichzeitig mit ihm ankam.

Dort gab es dann Entwarnung: meine Schwester hatte nach mehrminütigem Schütteln und Rückenklopfen wieder angefangen zu atmen.

Seitdem weiß ich, dass Zeitung lesen in Verbindung mit etwas Ungehorsam Leben retten kann ;-)  Vielen Dank dafür im Namen der ganzen Familie, liebe Stimme und herzliche Glückwünsche zum 75. Geburtstag. Mögen es noch viele weitere große Jubiläen werden.

Autor:

Wolfgang Kynast aus Heilbronn

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