Kaum zu glauben
Eine Reise 100 Jahre zurück in die Vergangenheit

Karl, Johanna, Kurt und Karl-Heinz Elke in Eldena (1929)
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  • Karl, Johanna, Kurt und Karl-Heinz Elke in Eldena (1929)
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Ein Bericht von Elektra Domesle und Wolfgang Kynast

Vorwort

Beim Thema Heimat geht es uns beiden gut - wir haben gleich zwei davon: die alte Heimat Mecklenburg und die neue Heimat Heilbronn. Beide wurden wir schon als kleine Kinder nach Heilbronn gebracht, das auch sehr schnell unser Zuhause wurde und wo wir uns auch richtig wohlfühlen. Aber so ganz haben wir die alte Heimat nicht vergessen. Das zeigt sich an so Kleinigkeiten wie dem Gebrauch von 'Moin' oder 'Danichfür' und der hochdeutschen Sprache.

Die Geschichte, die wir jetzt erzählen möchten, spielt sowohl in der alten wie auch der neuen Heimat.

Elektras Kurzfassung

Im Norden sagt man Moin
Im Süden hier Grüß Gott

Als Wolfgang mich kürzlich mit Moin begrüßte, fragte ich ihn, ob er auch ein "Nordlicht" wäre. Ja, er sei in Mecklenburg geboren. Genau wie ich. Er in Eldena und ich in Neustadt-Glewe. Eldena ein Dorf und Neustadt-Glewe eine Kleinstadt im Landkreis Ludwigslust (heute Ludwigslust-Parchim), etwa 20 km voneinander entfernt.

Beide Orte liegen an der Elde, einem kleinen Flüßchen, das ausgehend von der Müritz bei Dömitz in die Elbe mündet. Auch den Neustädter See kennt er aus seiner Kindheit und Jugend. Unsere beiden Familien kamen 1953 bzw. 1954 hierher nach Heilbronn.

Wolfgangs Großvater Karl Elke und mein Großvater Wilhelm Breuninger sen. (bis 1940) sowie mein Vater Edmund Breuninger sen. (bis 1967) kannten sich damals ab 1920 durch ihren Beruf und zwar waren alle drei Elektromeister. Mein älterer Bruder Wilhelm kann sich gut an den Elektromeister aus Eldena erinnern und vor allem an das Motorrad, mit dem er mit Rucksack zum Einkaufen von Elektromaterial zur Firma meines Großvaters bzw. ab 1940 meines Vaters kam.

Ja, wenn es die Heimatreporter nicht gäbe, hätten wir beide uns wahrscheinlich nie kennen gelernt.

Elektra Domesle

Wolfgangs Langfassung

Im September 2021 tauchte eine neue Frau bei einem Heimatreporter-Treffen im Botanischen Obstgarten auf - Elektra Domesle. Durch meine Angewohnheit, mit Moin zu grüßen, stellten wir bald fest, dass wir beide aus Mecklenburg stammen, siehe oben.

Bei einem Kaffeetrinken im Advent 2022 kam das Gespräch auf unsere Familiengeschichte. Elektra erwähnte dabei, dass sie ihren Vornamen bekommen hat, weil ihr Opa ein Fan der Oper Elektra war. Sie erwähnte auch, dass sowohl ihr Vater als auch Großvater Elektromeister waren. Da wurde ich stutzig, weil es so viele Elektromeister in dieser dünn besiedelten Gegend gar nicht geben konnte. Und tatsächlich: ihr Geburtsname Breuninger war mir ein Begriff, weil mein Opa bis 1953 öfter zum Einkaufen zur Firma WIBRE Wilhelm Breuninger in Neustadt-Glewe gefahren war. Ab 1953 besuchte mein Opa dann gelegentlich eine alte Frau dort zum Kaffeetrinken und, wie ich später erfuhr, um ihr Geld zu bringen, siehe weiter unten. Die alte Frau war Margarete Breuninger, die Witwe des WIBRE-Gründers Wilhelm Breuninger sen.

Um einen Eindruck davon zu geben, wie dünn besiedelt Mecklenburg ist: Eldena galt mit etwa 1200 Einwohnern lange als Mittelzentrum, Neustadt-Glewe mit 7000 Einwohnern als Kleinstadt. Die Kreisstadt Ludwigslust hat etwa 12000 Einwohner, die Landeshauptstadt Schwerin rund 95000 Einwohner. Die Einwohnerdichte von Mecklenburg-Vorpommern liegt bei 69 Einwohner pro km², die von Baden-Württemberg bei 311 Einwohner pro km². Vor 100 Jahre dürften die Zahlen alle noch deutlich niedriger gewesen sein.

Im Jahre 1900 wurde mein Großvater Karl Elke in Thüringen geboren. Er erlernte den Beruf des Elektrikers und ging dann auf Wanderschaft. Wie es so oft geschieht blieb er wegen einer Frau unterwegs hängen und zwar in Eldena :-)
Wo genau er in dieser Zeit arbeitete und dann Meister wurde konnte ich nicht mehr feststellen. Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass er in der 1919 in Neustadt-Glewe von Elektras Großvater gegründeten Firma WIBRE arbeitete. Dieser unterrichtete im Technikum Neustadt-Glewe das Fach Elektrotechnik und dürfte damit meinen Opa zum Meister geführt haben.

Jedenfalls ließ sich mein Opa nach dem Erwerb des Meisterbriefes in Eldena nieder. Er heiratete und baute an das Haus seines Schwiegervaters ein neues Haus an - mein Geburtshaus. Im ehemaligen Stall entstanden Räume für die Elektro-Firma.

In den folgenden Jahren bis 1953 war er oft bei der Firma WIBRE zum Einkaufen, mit dem Motorrad (Bild 1). Das Foto stammt aus dem Jahr 1929, ein Jahr vor der Geburt meiner Mutter.

Kaum zu glauben, oder?

Aber die Geschichte geht weiter: in den Jahren ab etwa 1958 war meine Mutter ab und zu bei Elektras Vater Edmund Breuninger, der inzwischen die Firma WIBRE in der Heilbronner Olgastraße (heute in Leingarten) führte. Sie holte dort 100 DM ab.

Der Hintergrund: Elektras Stiefoma Margarete Breuninger war 1953 altershalber in Neustadt-Glewe zurückgeblieben. Elektras Vater wollte sie, nachdem es ihm im Westen gut ging, unterstützen. Legal war es nicht möglich, Geld über die Grenze in die DDR zu schicken. Also hatte er mit meinem Opa verabredet, dass dieser ab und zu 400 Ostmark zu ihr brachte und wir konnten uns dann 100 DM bei ihm abholen.
Da diese Art von Geldtausch nach DDR-Recht illegal und strafbar war, kann man schließen, dass zwischen meinem Opa und Elektras Vater ein Vertrauensverhältnis bestanden haben muss.

Elektra arbeitete bis August 1966 als Bürokauffrau im Vorzimmer ihrers Vaters und so ist es wahrscheinlich, dass sie meine Mutter damals getroffen hat. Ich wurde dann um 1966/67 auch mindestens einmal zum Geld abholen geschickt. An Elektras Vater kann ich mich gut erinnern. Möglich auch, dass ich Elektra dort mal gesehen habe.

2022 führte dann meine.stimme unsere Wege erneut zusammen.

Kaum zu glauben, oder?

Wolfgang Kynast

Autor:

Wolfgang Kynast aus Heilbronn

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