Klimaresiliente Siedlungsentwicklung
Finanziell und konzeptionell schlecht gerüstete Kommunen
Hochwasser, Starkregen, Hitze - Die Klimakrise kostet Unsummen, wenn sich Kommunen nicht fachgerecht vorbereiten. Im Fokus stehen dabei auch die Finanzierungskonzepte. Gerade dort heißt es, altes Vorgehen aus den Prüfstand zu stellen. Überraschende und schockierende Einsichten lieferte der Themenabend "Klimaresilente Siedlungsentwicklung" des BUND am letzten Freitag in Heilbronn.
(28.10.2024) Warum führt die Ausweisung neuer Siedlungs- oder Gewerbegebiete Städte und Dörfer direkt in tiefrote Zahlen? Wieso braucht es bei Bürgermeistern und Gemeinderäten dringend ein Umdenken im Hinblick auf den Flächenverbrauch? Welche Herausforderungen bringt der Klimawandel für die Planung und das Leben in den Kommunen mit sich? Dies alles waren Fragestellungen beim hochkarätig besetzten Vortragsabend des BUND Regionalverbands Heilbronn-Franken am letzten Freitag im Heilbronner Heinrich-Fries-Haus.
Dem BUND war es gelungen, mit Dr. Thilo Sekol und Professor Dr. Jörn Birkmann vom Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung an der Universität Stuttgart (ireus) bundesweit renommierte Fachexperten für den Abend zu gewinnen. Beide Fachwissenschaftler setzen sich für einen drastischen Kurswechsel in der bisherigen Politik der Städteplanung ein: Dr. Sekol als Analyst zum Thema „Wirtschaftlichkeit von Neubau- und Gewerbegebieten“, Prof. Birkmann als Experte für Stadt- und Raumplanung.
Hautnah an der Katastrophe
Professor Birkmann, der unter anderem als Leitautor an den Berichten des Weltklimarates mitgewirkt hat, analysierte mit seinem Team insbesondere Starkregenereignisse und Flutkatastophen wie im Ahrtal oder in Schwäbisch Gmünd direkt vor Ort. Schockierend seine Feststellung, wie wenig vorbereitet die Kommunen selbst auf viel geringere Pegelstände gewesen wären und wie leichtfertig selbst die Planung kritischer Infrastruktur wie insbesondere Behinderten- und Altenheime, Industrieanlagen, Schulen und Krankenhäusern mitten hinein in von Überschwemmungen bedrohten Areale über Jahrzehnte hinweg stattgefunden hat. „Katastrophen mit Ansage“ seien die letztlich unvermeidbare Folgen, die mit ihren Milliardenschäden in den betroffenen Gemeinden noch auf Jahrzehnte hinaus nachwirken werden. Fraglich scheint dem Experten aber, ob die Warnschüsse mit den Jahr für Jahr drastisch zunehmenden Wetterextreme bei den Planungsbehörden und Grundstückeigentümern tatsächlich angekommen sind. Zu sicher sei man sich, einerseits, dass sich ein solches Ereignis in den kommenden Jahrzehnten sicherlich nicht wiederholen werde. Trügerisch seien andererseits auch die Hochwassergefahrenkarten und HQ-100- Zonen (Hundertjähriges Hochwasser): Denn ihre Festlegung basiert lediglich auf Daten der Vergangenheit. Eine hochgefährliche Einstellung angesichts des sich rasant beschleunigenden Klimawandels, so Professor Birkmann, der dringend für ein radikales Umdenken in der Stadtplanung plädiert. Dass alte Bebauungspläne auch nach solchen Ereignissen in Kraft blieben, so dass vor Ort teilweise bauliche Fehler wiederholt werden können, sei dabei ebenso riskant.
Gesundwachsen ist keine kommunale Pespektive
Klimaanpassung und -schutz sind teuer, aber unvermeidbar. Höchste Zeit für Kommunen ihre bisherige Finanzierungsstrategien zu überdenken. Mit der Mär, dass die Erschließung neuer Bau- und Gewerbegebiete den Kommunen einen hochwillkommenen Geldregen in die Haushaltskassen spült und dass nur dann ein Bürgermeister ein guter Bürgermeister ist, wenn er es schafft, möglichst viel Gewerbefläche auszuweisen, räumte Dr. Thilo Sekol in seinem Vortrag kräftig auf. Das Gegenteil sei der Fall, wies der studierte Betriebswirtschaftler beeindruckend nach. Penibel analysierte er das System der Kommunalen Haushaltsplanung mit seinem komplizierten Geflecht aus Steuereinnahmen, Schlüsselzuweisungen, Ausgleichszahlungen und Folgekosten. „Wenn man dies alles zusammenzählt und über die Jahre rechnet – was leider bei der Aufstellung von einzelnen Haushaltsplänen nie der Fall ist – dann wird schnell klar, dass die Ausweisung neuer Baugebiete für die Gemeinde am Ende ein Minusgeschäft bedeutet.“ Denn weder die Unsummen für die neue Infrastruktur, noch die darauf unweigerlich folgenden Unterhaltskosten würden üblicherweise mit einberechnet. „Anstelle millionenschwere Rücklagen dafür zu bilden, müssen von dem geringen Anteil, der von der Gewerbesteuer übrig bleibt, weitere Einrichtungen finanziert werden, wie zum Beispiel Kindergärten, Schulen, Straßen etc etc.“ Ein Teufelskreis, an dessen Ende der finanzielle Kollaps droht. „Ein Weiter so beim Flächenverbrauch führt also nicht zu mehr Einnahmen für eine Gemeinde, sondern direkt ins tiefrote Minus. Und dabei ist die Rechnung für die unwiederbringlichen Schäden an der Umwelt noch nicht einmal mit einbezogen!“
Die anschließende, rege Diskussion, an der sich auch Gemeinderäte und Verwaltungskräfte beteiligten, zeigte auf, wie sehr die Botschaft der beiden Wissenschaftler ins Schwarze getroffen hatte. Besonders an sie appellierte Professor Birkmann: „Ein Umdenken in Zeiten des Klimawandels ist dringend erforderlich – auch in den Städten und Gemeinden. Noch ist es nicht zu spät!“
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