Lichter der Stadt: Die Nacht wird zum Tag

Die erleuchtete Innenstadt samt Kilianskirche. Schön, aber: Indem unsere Umwelt künstlich erhellt wird, gibt es hierzulande keinen richtigen Sternenhimmel mehr zu sehen. | Foto: Karl-Heinz Wachtler
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  • Die erleuchtete Innenstadt samt Kilianskirche. Schön, aber: Indem unsere Umwelt künstlich erhellt wird, gibt es hierzulande keinen richtigen Sternenhimmel mehr zu sehen.
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Ist es schön oder übertrieben? Auf einer Sonderseite hat die Heilbronner Stimme Fakten zu Stadtlicht in der Nacht und Lichtverschmutzung zusammengetragen eindrucksvolle Fotos der meine.stimme-Heimatreporter verdeutlichen die Ambivalenz des Themas. 

Dauerhaftes künstliches Licht wirkt sich nachteilig auf die Umwelt aus. Ökologische Stadtbeleuchtung ist dagegen sinnvoll. 
Von unserer Redakteurin Linda Möllers

Es ist Nacht, aber nicht mehr wirklich dunkel: Seit Jahren sorgt die Dauerbeleuchtung von Straßenlaternen oder auch Leuchtreklame dafür, dass der Nachthimmel immer heller wird. Künstliches Licht gehört zu unserem Alltag, von spätnachts bis frühmorgens – und verursacht die sogenannte Lichtverschmutzung oder Lichtsmog.

Im astronomischen Sinne heißt das: Der Nachthimmel wird durch das künstliche Licht überblendet. Aus Umweltsicht wirkt sich das nachteilig auf Ökosysteme aus: Lichtverschmutzung bringt unmittelbare Folgen mit sich, nicht nur für Insekten, Vögel oder Fledermäuse, sondern auch für uns Menschen. Und es gibt auch wirtschaftliche Gründe gegen die Aufhellung der Nacht. 

Bortle-Skala

Licht erhellt nicht nur unser Leben, sondern vermittelt auch Wohlbefinden und Sicherheit. Die Beleuchtung kann ein ganzes Stadtbild prägen, indem Monumente in Szene gesetzt werden. Menschen erleuchten während ihrer Abwesenheit ihre Wohnungen, um Einbrecher abzuschrecken. Straßenlaternen sollen den nächtlichen Heimweg sicherer machen. Dabei sind die Kriminalitätsrate und Beleuchtung jedoch zwei voneinander völlig unabhängige Faktoren, sagt der Astronom Florian Freistetter dazu in seinem Podcast "Sternengeschichten". Und dass es kaum noch Menschen gebe, die die weiten Teile unserer Galaxie – die Milchstraße – überhaupt schon einmal in ihrer vollen Pracht gesehen hätten.

Denn der Nachthimmel ist selbst bei tiefer Nacht in weiten Teilen der Welt nur noch ein Abklatsch dessen, was eigentlich beobachtet werden könnte. Rund 80 Prozent der Menschen leben unter einem lichtverschmutzten Himmel, heißt es in einem Forschungsbericht des Bundesamts für Naturschutz von 2019. Die Milchstraße ist laut Lichtverschmutzungsatlas von 2016 für mehr als ein Drittel der Menschheit verborgen, darunter 60 Prozent der Europäer. Forscher gehen davon aus, dass die Lichtverschmutzung weltweit um zwei Prozent im Jahr sowohl an Reichweite als auch an Intensität zunimmt.

In Mitteleuropa ist ein außergewöhnlich dunkler Himmel schon gar nicht mehr zu beobachten, wie er den Klassen eins oder zwei der sogenannten Bortle-Skala entspricht. Sie gibt den Grad der Lichtverschmutzung an einem astronomischen Beobachtungsstandort an. In innerstädtischen Gebieten zeigt sich gerade mal ein Sternenhimmel der Klassen sieben bis neun der Bortle-Skala. Die dunkelsten Klasse eins oder zwei, bei der freie Sicht auf den vollen Sternenhimmel besteht, eröffnet sich nur noch in abgelegenen Gebieten wie in Afrika.

Folgen für Insekten

Stetig künstlichem Licht ausgesetzt zu sein, wirkt sich allerdings auf die Umwelt aus: Der Natur- und Umweltschutzbund (Nabu) schätzt, dass jährlich rund eine Milliarde Insekten in Deutschland nachts an Straßenlaternen an Erschöpfung sterben, weil sie von deren Ultraviolettanteil besonders stark angezogen werden. Viele Insekten fehlen dann etwa als Bestäuber im Ökosystem, und dessen Gleichgewicht kommt ins Wanken. Bei Tieren kann dauerhaftes Licht den Fortpflanzungsrhythmus stören: Fledermäuse, die wie rund 30 Prozent aller Säugetiere dämmerungs- oder nachtaktiv sind, werden verwirrt. Unnatürliches Licht bei Nacht kann außerdem den Wachstumszyklus von Pflanzen beeinträchtigen und Zugvögel orientierungslos machen. Und nicht nur in den Himmel hinauf, auch ins Wasser hinab kann dauerhaftes Licht abstrahlen und Lebewesen stören.
Das konstante Aufhellen der Umwelt beeinflusst aber auch unsere menschliche "innere Uhr", die von dem Wechsel von Tag und Nacht synchronisiert wird. So sind Störungen des Hormonhaushalts oder Schlafstörungen möglich, weil "Menschen empfindlich auf den blauen Anteil der Displays von Smartphones und Lesegeräten reagieren. Denn eigentlich sind wir auf rötliches Abendlicht geeicht", erklärt Volker Geis, Experte beim Heilbronner Science-Center Experimenta. Die langfristigen Auswirkungen von Lichtverschmutzung sind Gegenstand aktueller Forschungen.

Für den öffentlichen Raum ist die Beleuchtung gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Eine europäische Norm beschreibt zumindest die Standards der Beleuchtungsklassen bei der Straßenbeleuchtung. Dabei wäre ein exzessive, dauerhafte Lichteinfluss eigentlich vermeidbar. Viele Kommunen haben dennoch kein sinnvolles Konzept für eine ökologische Stadtbeleuchtung, bemängelt der Nabu. Schon allein, wenn Straßenlaternen Licht nicht gezielt, sondern zu allen Seiten abgeben, wird es verschwendet, auch finanziell. Bürger und Kommunen sollten warmes Licht und weniger Lichtstärke verwenden, rät Volker Geis. Die Beleuchtung sollte bedarfsangepasst und zielgerichtet sein, und auch nur in einem sinnvollen Zeitraum strahlen. Alles andere sei, zusätzlich zur Lichtverschmutzung, auch Geldverschwendung.

Nachthimmel als Kulturgut

Durch effiziente Leuchtmittel, moderne Lichttechnik und Steuerungsgeräte ließen sich Energieverbrauch und Kosten der öffentlichen Beleuchtung über die Hälfte reduzieren, so der Nabu. Volker Geis weist auch darauf hin, dass der Sternenhimmel als Kulturgut in Vergessenheit gerät, wenn er kaum noch sichtbar ist. Durch den versperrten Blick aufs Universum könnte das Sinnieren der Menschen über die unendliche Weite abnehmen – und das Interesse an der Astronomie.

Autor:

Katja Bernecker aus Heilbronn

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