Opioid-Krise: Bundesstaat New York schließt milliardenschweren Vergleich mit US-Pharmakonzernen

Die Abhängigkeit von Opioiden hat die USA fest im Griff. Bereits seit rund zwei Jahrzehnten sind die Schmerzmittel auf dem Vormarsch. Die Tücke: Opioide machen stark abhängig. Zahlreiche Menschen sterben jährlich an den Folgen einer Überdosierung, noch mehr sind süchtig. Ein nun geschlossener Vergleich von drei Arzneigroßhandelskonzernen und dem Bundesstaat New York stellt die Weichen für wichtige Entwicklungen.

Worum geht es bei dem geschlossenen Vergleich?

Um Opioide wird in den USA bereits seit vielen Jahren diskutiert. Die als schmerzlindernde Mittel verschriebenen Präparate wirken zwar gegen die beschriebenen Beschwerden, bringen jedoch ein sehr hohes Abhängigkeitsrisiko mit sich. Hieraus resultiert ein drastisches Potenzial für künftigen Missbrauch der Substanzen. Zu den Opioiden zählen unter anderem starke Schmerzmittel wie Fentanyl oder Oxycodon.

Herstellern wird nun schon lange vorgeworfen, dass sie sowohl das Suchtpotenzial als auch die Missbrauchs-Problematik kannten und bewusst verschwiegen haben. Im Zuge dessen kam es bereits im Oktober vergangenen Jahres zu einem Vergleich des Unternehmens Purdue Pharma und der US-Regierung. Dieser beendete die Debatte rund um die Schmerzmittel allerdings nicht, sondern stellte lediglich den Anfang einer langen Reihe bedeutender Entscheidungen dar.

Auch beim jetzigen Vergleich geht es um die Schaffung eines vorläufigen Rahmens für einen Kompromiss. Beteiligt am aktuellen Geschehen sind einerseits die drei Unternehmen AmerisourceBergen, Cardinal Health und McKesson und andererseits der US-Bundesstaat New York. Sie einigten sich nun laut Letitia James, Generalstaatsanwältin von New York, auf einen Vergleich in Höhe von insgesamt rund 1,1 Milliarden US-Dollar. Dies entspricht etwa 900 Millionen Euro, die die drei Unternehmen zahlen. Im Gegenzug stellt der Bundesstaat das gerichtliche Verfahren gegen sie ein.

Was passiert mit dem Geld und wie geht es weiter?

Die finanziellen Mittel, die dem Bundesstaat nun zufließen, sollen unter anderem in Hilfsprogramme investiert werden. Dies allerdings nicht in einem Stück und per sofort, sondern über einen definierten Zeitraum von rund 17 Jahren.

Abgeschlossen ist das Geschehen rund um die Opioid-Krise damit jedoch noch lange nicht. Die Einigung der New Yorker Staatsanwaltschaft und der drei US-Konzerne nimmt nur einen vergleichsweise kleinen Teil all jener Verfahren ein, die aktuell noch offen sind. Einige weitere Bundesstaaten, Landkreise und Städte innerhalb der USA befinden sich derzeit noch im Streit mit Pharma-Unternehmen. Ihre Forderung: Die Konzerne sollen sie für jene Investitionen entschädigen, die sie im Kampf gegen die grassierende Abhängigkeit und all ihre Folgen tätigen mussten und müssen.

Auch gibt es eine weitere mögliche Einigung, die mehrere Tausend Klagen landesweit beilegen könnte, diese ist aber noch nicht abgeschlossen. Laut verschiedener Berichte befinden sich die Parteien bereits seit zwei Jahren in Verhandlung mit AmerisourceBergen, Cardinal Health, Johnson&Johnson und McKesson. Der insgesamt 26 Milliarden US-Dollar umfassende Vergleich scheint schon bald zu seinem Abschluss zu kommen.

Hintergründe: Die Opioid-Krise in den USA

Wie bereits erwähnt, stellen Opioide in den Vereinigten Staaten bereits seit mehr als 20 Jahren ein immer größer werdendes Problem dar. Wie das U.S. Department of Health and Human Services in seinen „Opioid Crisis Statistics“ berichtet, nutzten 2019 etwa 10,1 Millionen Menschen ab zwölf Jahren in den USA Opioide auf missbräuchliche Weise; 9,7 Millionen hiervon nahmen verschreibungspflichtige Schmerzmittel, 745.000 Heroin. Zwei von drei Todesfällen nach Überdosis geschahen unter Beteiligung von Opioiden. Seit 1999 kamen insgesamt über 760.000 Menschen nach einer Überdosis zu Tode.

Angesichts dieser Zahlen wird schnell deutlich: Die verschreibungspflichtigen Opioide spielen eine nicht unwichtige Rolle, wenn es um missbräuchliches Verhalten, Drogensucht und Todesfälle nach Überdosis geht. Im Gegenteil: Sie scheinen sogar eine der Hauptrollen zu spielen.

Dass es so weit kommen konnte, liegt laut der Kläger in der Verantwortung der Pharmakonzerne. Diese sollen ihre opioidhaltigen Medikamente nicht nur unter Verschweigung des Suchtpotenzials, sondern auch auf recht aggressive Art und Weise unter die Menschen gebracht haben. War Oxycodon anfangs dominierend, ist es nun der synthetische Stoff Fentanyl.

Fentanyl: Vom Medikament zur Droge

Anfänglich entwickelt und verschrieben wurde die Substanz Menschen mit Krebs im Endstadium. Fentanyl wirkt 100 Mal stärker als Morphine, seine therapeutische Breite ist daher äußerst gering. Das bedeutet: Schon extrem kleine Mengen Fentanyl können einen Atemstillstand auslösen und zum Tod der betreffenden Person führen. 2019 starben in den USA etwa 90.000 Menschen nach einer Überdosis, etwa die Hälfte von ihnen hatte Fentanyl genommen.

Heutzutage erhalten Menschen Fentanyl längst nicht mehr über ihre Arztpraxis, sondern mit Hilfe von Drogenkartellen aus Mexiko und mit ihnen kooperierenden Dealern. Auch das Darknet bietet Suchenden Möglichkeiten, Fentanyl per Post zu bestellen und dann zu verarbeiten, zu konsumieren oder weiterzugeben.

So entwickelte sich über die Jahrzehnte hinweg ein weitverzweigtes Netzwerk, das abhängige Menschen mit Opioiden versorgt. Hergestellt wird der vergleichsweise kostengünstige Stoff heute zumeist in China. Auch anderen Drogen wird Fentanyl aufgrund seines niedrigen Preises und seiner starken Wirkung inzwischen oftmals beigemischt.
Dass vor allem unerfahrene Laien die Dosierung des hochpotenten Stoffes vornehmen, ist ein bedeutender Grund für die häufigen Todesfälle nach Überdosierung. Gewöhnliche Verarbeitungsmethoden können dafür sorgen, dass einzelne der verkauften Pillen eine zu hohe Menge des Stoffs enthalten und somit tödlich wirken.

Autor:

Juliane von Hopfgarten aus Neckarsulm

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