Vortrag von Prof. Dr. Susanne Talabardon
Von falschen Zeugen und kleinen Lügen
„Von falschen Zeugen und kleinen Lügen.“ Das Neunte Gebot in der jüdischen Tradition.
Im vollbesetzten ehemaligen Betsaal des Museums ging Frau Talabardon vor allem der Frage nach, welche Rolle Zeugenaussagen vor Gericht in der jüdischen Tradition haben. »Du sollst nicht zeugen wider deinen Nächsten als falscher Zeuge« (2. Buch Mose 20,14)
Schon der jüdische Philosoph und Rechtsgelehrte Maimonides (1138 – 1204) hat in Bezug auf Zeugenaussagen vor Gericht festgestellt: Nur Aussagen von Augenzeugen haben vor Gericht Bestand. Niemand darf als Zeuge gehört werden, wenn er von seiner Aussage profitieren könnte. Zeugen, die in einem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen, sind ungeeignet. Ebenso Menschen, die den Talmud- bzw. die Tora nicht gelesen haben. Diese Regeln, die im Wesentlichen noch heute für die Wahrheitsfindung vor Gericht gelten zeigen, wie grundlegend diese für das Sozialgefüge und für den Bestand unserer Gesellschaftsordnung sind.
Das uns vertraute „Du sollst nicht lügen“ verfälscht den ursprünglichen Sinn des jüdischen Gebots auf eigentlich unzulässige Weise. Wer kann schon von sich sagen, niemals zu lügen? Schon mittelalterliche Kommentatoren der Tora bezogen das Gebot auf den zwischenmenschlichen Bereich, indem sie sowohl den Klatsch wie auch die Verleumdung anderer Menschen einbezogen haben.
An zahlreichen Beispielen zeigte Frau Talabardon die pragmatische Seite des Umgangs mit der Lüge im Judentum. Es erlaube durchaus den Gebrauch der Notlüge, wenn es z.B. darum gehe, das Leben eines Menschen zu schützen.
Ein interessanter und lehrreicher Abend ging leider allzu früh zu Ende.
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