Lions organisieren aktuelle Diskussionsrunde
Quo vadis, Weinbau Württemberg?

Experten des Weinbaus in Baden-Württemberg; v.l. Holger Willy, Wilfried Dörr, Karl Seiter, Lothar Neumann, Rainer Wachtstetter | Foto: Rolf Kieser
  • Experten des Weinbaus in Baden-Württemberg; v.l. Holger Willy, Wilfried Dörr, Karl Seiter, Lothar Neumann, Rainer Wachtstetter
  • Foto: Rolf Kieser
  • hochgeladen von Lionsclub Güglingen-Zabergäu

In Brackenheim entsteht mit der Weinwelt ein spektakuläres Leuchtturmprojekt des Weintourismus. Gesellige Planwagentouren durch die Weinberge haben Hochkonjunktur. Doch die Weinwirtschaft schwächelt. Der Weinkonsum, vor allem bei Rotwein, geht dramatisch zurück. Weinberge liegen brach.

Beim Lions-Clubabend im Juni in der Nordheimer Willy-Lounge diskutieren 5 Weinexperten daher die Frage: Quo vadis, Weinbau Württemberg? Die Teilnehmer der Talkrunde sind Moderator Karl Seiter, ehemaliger Geschäftsführer der WG Heilbronn, die Winzer Rainer Wachtstetter und Holger Willy, der Önologe Wilfried Dörr und der Weinbauberater Lothar Neumann.

Die Antwort auf die Frage kann man gleich vorwegnehmen: Man kennt sie - noch - nicht. Die lebhafte, lange Diskussion mit reger Beteiligung der Zuhörer macht klar, dass es sich um ein komplexes Problem handelt, dessen Aspekte teils sehr kontrovers gesehen werden. Ein Problem ist die Natur, die den Reben immer wieder zusetzt. „Ich dachte, das war’s mit dem Weinbau in Württemberg”, sagt Lothar Neumann und spricht damit die Kirschessigfliege an, die 2014 zuerst das Remstal, dann auch den Landkreis Heilbronn heimsucht. Rainer Wachtstetter hat durch den Kälteeinbruch in diesem Frühjahr eine Einbuße von 80 Prozent. Seit 2011 ist es das vierte Mal, dass Frostschäden seinen Weinbergen zusetzen. Ein weiteres Problem: Der Weinkonsum ist in vielen Ländern drastisch gesunken, teilweise um mehr als die Hälfte innerhalb der letzten 40 Jahre. Mit rund 8 Millionen Hektoliter - 10 % davon in Baden-Württemberg - rangiert Deutschland weit hinter Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich und China. Viele Weinkeller sind voll, Millionen Liter werden nicht verkauft. Allein in Bordeaux soll eine Rebfläche fast so groß wie die baden-württembergische Gesamtfläche stillgelegt werden. Das Problem, das in Deutschland hinzukommt, ist der Konsum ausländischer Weine von ca. 60%! Verschärfende Faktoren bei uns sind die grundsätzlich schwankende Witterung, Kleinparzellierung, Steillagen, hohe Kosten im gesamten Weinbau, die von den niedrigen Erlösen, vor allem in Supermärkten und Discountern, nicht gedeckt werden. Die Folge, glaubt Lothar Neumann, wird das Verschwinden von 50% der Betriebe in Württemberg sein. Nur noch wenige junge Menschen lassen sich zum Winzer oder Weinbautechniker ausbilden. Die Preise für Weinberge sind drastisch gesunken, und die Preise für Trauben müssten viel höher sein, um in Betriebe reinvestieren zu können. Der deutsche Verbraucher greift meist zu billigem Wein, zum Beispiel beim größten deutschen Weinhändler Aldi, der mit Lidl und Netto und ihrer Preispolitik Probleme bereiten kann. Etwas mehr verdienen die Winzer durch Rewe, Edeka und Kaufland. Fest steht, dass sich die Wertschöpfung erhöhen muss.

Einig ist sich die Talkrunde auch darin, dass man hier versäumt hat, am Image zu feilen. „Wir sind nicht mehr sexy genug”, sagt Rainer Wachtstetter. Das Image hänge der Qualität hinterher. Man müsse sich bekannter machen, Aushängeschilder haben - so wie Italien mit Pinot Grigio, Prosecco, Primitivo. Mit Trollinger hätte man ein Alleinstellungsmerkmal, er werde aber schlecht geredet und als „Schoppenwein“ gehandelt. Eine Chance liege in der Werbung. Ständig nur die Kosten senken zu wollen, sei keine Lösung. Weniger Einigkeit herrscht darüber, was vorteilhafter ist: die Vermarktung in die Hände der WZG zu legen oder in die eines Weinhändlers.

Die Dramatik der Branche ist erkannt. 1000 bis 2500 Hektar werden auf Dauer verschwinden. Eine Hilfe kann der Weintourismus sein, der jedoch eine notwendige Infrastruktur braucht. Und leider werden die interessanten Steillagen massiv stillgelegt. Betriebe könnten sich weitere Standbeine schaffen. Mehr Topweine sollten präsentiert werden. Wenn Winzer mehr zusammenarbeiteten, könnten sie teure Arbeitszeit sparen. Und wie weckt man in jungen Menschen die Lust auf guten, einheimischen Wein? Es fehle ein Konzept zur Problemlösung. Abzuschätzen, wie es weitergeht, sei zudem schwierig. „Aber”, so fasst Präsident Rolf Kieser am Ende zusammen, „man weiß jetzt, wo man steht.”

Text: Helga El-Kothany

Autor:

Lionsclub Güglingen-Zabergäu aus Güglingen

Im Weinberg 32, 74363 Güglingen
+49 160 4884785
info@scholz.engineer
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.