Dintensäue…
Heute tauchen wir ein in die Geschichte einer Stadt, die uns allen bekannt ist. Eine kleine Stadt, die von vielen Touristen jedes Jahr besucht wird. Sie hat geschichtlich viel zu bieten – doch heute möchte ich euch ein paar Einblicke von einer historischen Persönlichkeit vermitteln, die mich fasziniert hat und die ihr sicherlich vom Namen her kennt.
Wir schreiben das Jahr 1140 – eine Festung wird belagert – die Eingeschlossenen kapitulieren.
König Konrad III erkennt die List einer Schar Weiber, steht aber zu seinem Wort und lässt die Frauen mit ihren Männern gehen. Die Geschichte der treuen Weiber von Weinsberg, die durch eine List das Leben ihrer Männer retten, ist das Markenzeichen der Stadt Weinsberg. Viele Touristen besuchen die Burgruine Weibertreu, um in die Vergangenheit der treuen Weiber von Weinsberg einzutauchen – diese Vermarktung ist auch der Verdienst eines bedeutenden Mannes.
Viele berühmte Persönlichkeiten lud er nach Weinsberg ein und steigerte damit den Bekanntheitsgrad der Burgruine Weibertreu.
Die Rede ist von Justinus Andreas Christian Kerner. Ein deutscher Arzt, medizinischer Schriftsteller und Dichter. Ihm zu Ehren tragen viele Schulen seinen Namen, aber auch eine Rebsorte wurde nach Ihm benannt. Die Rebsorte Kerner ist eine Kreuzung zwischen weißem Riesling und blauem Trollinger.
Justinus Kerner wurde am 18. September 1786 in Ludwigsburg geboren. 1799 verlor er seinen Vater, die Mutter schickte den Heranwachsenden daraufhin zur Kaufmannslehre in die Tuchfabrik in Ludwigsburg. Diese Arbeit gefiel ihm aber nicht, sie war ihm zu eintönig, so begann er Gedichte zu schreiben. Karl Philipp Conz, sein ehemaliger Lehrer und Pfarrer, erreichte, dass er Medizin und Naturwissenschaften in Tübingen studieren durfte. Kerner war als Arzt ab 1810 tätig, er arbeitete in verschiedenen Städten, bis er schließlich 1819 Oberamtsarzt in Weinsberg wurde. 1813 heiratete Kerner, Friederike Ehmann, die er liebevoll Rickele nannte. Kerner hatte 2 Töchter und einen Sohn. 1822 baute er im ehemaligen Stadtgraben in Weinsberg sein Wohnhaus, das heute noch als Kernerhaus zu besichtigen ist. Unweit des Wohnhauses stand der mittelalterliche Geisterturm, welchen Kerner kaufte, um seine große Sammlung an Kunstgegenständen dort unterzubringen und dort einen geselligen Treffpunkt seiner Dichterfreunde einzurichten. Kerner war ein sehr geselliger gastfreundlicher Mensch – er liebte es sich mit Gleichgesinnten zu treffen und hohe Persönlichkeiten der Gesellschaft zu sich einzuladen. Kerner war ein Genussmensch, er liebte es zu essen und zu trinken. Es sprach sich natürlich herum, dass Kerner ein sehr einladendes Dichterhaus hatte, ein Dichtertreffpunkt nicht nur für schwäbische Dichter, sondern eine Begegnungsstätte von Menschen unterschiedlichen Standes aus aller Welt. Und so trafen jeden Tag neue Gäste in Weinsberg ein und dadurch erlangte auch die Burgruine Weibertreu ihren Bekanntheitsgrad.
Justinus Kerner war ein hochgeachteter, angesehener Arzt – eine seiner bedeutendsten medizinischen Erkenntnisse handelt von den vielen tödlichen Vergiftungen durch den Genuss verdorbener Würste. Er fand heraus, dass verdorbene Wurst giftig wirkende Stoffe entwickelt, die zum Tod führen können.
Bis 1851 arbeitete er als Arzt, wegen seines Augenleidens ( grauer Star ) wurde er pensioniert. Nach seiner Pensionierung verfasste er viele Briefe und medizinische Manuskripte, oft fielen dabei Tintenkleckse, sogenannte Tintensäue ( schwäbisch Dintensäue ) aus der Schreibfeder aufs Papier, diese Tintenkleckse regten seine Phantasie an. Er faltete daraufhin das Papier zusammen, so dass die Tintensäue zusammengepresst wurden – so entstanden abstrakte Abdrücke. Kerner verpasste diesen ein paar zusätzliche Federstriche und hauchte ihnen somit Leben ein. Diese Figuren, welche dabei entstanden, bezeichnete Kerner als Hadesbilder. Oft schrieb er noch ein kleines Gedicht unter die Kleckszeichnungen oder ein paar passende Zeilen. Man bezeichnet die Klecksbilder auch als Klecksographien. Ein von ihm zusammengestelltes Hadesbuch mit vielen Klecksographien ist im Schiller Nationalmuseum in Marbach am Neckar ausgestellt. 1890 veröffentlichte sein Sohn Theobald das Buch „Klecksographien“. Man kann sich dieses Buch mit vielen Klecksographien im Internet ansehen.
Justinus Kerner ist bekannt für seine Romane, Erzählungen, Gedichte und medizinisch – naturwissenschaftlichen Schriften. Seine Autobiographie „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit“ gefällt mir persönlich besonders gut – es ist sehr unterhaltsam geschrieben.
Justinus Kerner war ein faszinierender Mann, er hat mich sehr beeindruckt – sein Leben war so vielfältig und interessant – leider konnte ich euch nur einen kleinen Bruchteil seines bewegten Lebenslaufs erzählen. Wer sich für Justinus Kerner interessiert findet viele Biographien im Internet – die über sein Leben und Wirken berichten.
1862 starb Justinus Kerner, er wurde auf dem Friedhof in Weinsberg neben seiner 1854 verstorbenen Ehefrau beigesetzt.
Die Stadt Weinsberg, der Justinus-Kerner-Verein und der Frauenverein Weinsberg e.V. ehren das Andenken von Justinus Kerner auf vielfältige Weise. Seit 1908 ist das Kernerhaus ein Museum und bedeutende Gedenkstätte.
Besonders erwähnenswert sind die informativen und unterhaltsamen Führungen im Kernerhaus.
Einen Besuch der Stadt Weinsberg kann ich bestens empfehlen – ein „Historischer Stadtrundgang“ lässt uns in die Vergangenheit und Geschichte der Stadt Weinsberg eintauchen. Ein paar Stationen habe ich für euch fotografiert – doch nicht alle – die Neugierde soll ja erhalten bleiben, falls ihr vielleicht selbst einmal den „Historischen Stadtrundgang“ machen wollt.
Führungen im Kernerhaus sind wegen Corona im Moment nicht möglich. Ob der Historische Stadtrundgang im Moment noch möglich ist kann ich leider nicht sagen – ich habe Weinsberg das letzte Mal im Dezember besucht.
Autor:Heide Böllinger aus Bad Friedrichshall |
14 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.