Mein Freizeittipp Mai - Der Mörike-Pfad in Cleversulzbach
Sicher ist es euch auch schon einmal so ergangen - ihr seid unterwegs und ihr begegnet etwas Interessantem - es fasziniert euch und ihr wollt wissen was es ist.
So war es auch bei mir im September. Beim Frühstück blätterte ich in einer Broschüre und fand dort den Hinweis für den Mörike-Pfad in Cleversulzbach.
Eigentlich war heute Gartenarbeit angesagt, weil der Pfad aber nur 6,5 km lang war beschloss ich den Spaziergang mit Emilie zu unternehmen.
Cleversulzbach ist ein kleines Dorf - umgeben von einer lieblichen Landschaft. Direkt vor dem Mörikemuseum finde ich einen Parkplatz - hier startet auch der Pfad. Das Museum hat bedingt durch Corona leider geschlossen - aber es gibt Informationstafeln mit einem Turmhahn versehen. Hier stehen Auszüge aus seinen Gedichten und von seinem Leben hier in Cleversulzbach.
Der Pfad führt an der Kirche vorbei - dann am Friedhof. Hier ist Mörikes Mutter neben Schillers Mutter begraben. Sein Lieblingsplatz war auf einem Hügel über Cleversulzbach. Hier steht auch heute noch eine Bank. Gerne saß er hier und schaute hinunter auf seine Gemeinde. Wort für Wort - Satz an Satz reihten sich hier oben aneinander - viele Gedichte über die Menschen, die Landschaft und die Natur entstanden hier oben unter freiem Himmel. Es finden sich noch weitere Informationen auf dem Pfad - aber eigentlich wusste ich am Ende des Pfades von Eduard Mörike nur sehr wenig und auch der Turmhahn der den Pfad markiert - welche Bewandtnis hatte er. Meine Neugierde war geweckt - ich wollte wissen wer dieser Eduard Mörike war und welche Rolle spielte ein Turmhahn in seinem Leben?
An jenem Tag im September begab ich mich auf die literarische Reise des Eduard Mörike - von dem ich bis dahin nur ein einziges Gedicht kannte. Und ich tauchte ein in die Lebensgeschichte dieses großartigen Mannes. Er war ein deutscher Lyriker, Erzähler, Übersetzer und evangelischer Pfarrer. Die Geschichte seines Lebens war so lebendig geschrieben, so dass es mir vorkam als hätte ich sie selbst erlebt.
Eduard Mörike studierte, dem Wunsch seiner Familie entsprechend Theologie und sollte wie sein Großvater Pfarrer werden. Er tat sich schwer mit dem Studium und seine Leistungen waren sehr schwach, so dass er viele Jahre kein Pfarramt bekam und nur als Vikar der Kirche dienen konnte. In Cleversulzbach wurde er dann endlich evangelischer Pfarrer. Seine Mutter und seine Schwester Klara nahm er mit. Sie versorgten ihm den Haushalt und unterstützen ihn.
Schon während seines Studiums hatte Eduard Mörike große Freude am dichten und schreiben.
Über die Jahre hinweg wurde ihm bewusst, dass seine große Leidenschaft das Schreiben von Gedichten war. Und so erfüllte ihn die Arbeit als Pfarrer nicht. Zwei Vikare, die ihn unterstützen übernahmen daher viele Arbeiten im Pfarrhaus und in der Kirche. Auch war Mörike gesundheitlich angeschlagen und musste häufig für Kuren Cleversulzbach verlassen.
Eines Tages wurde der alte verwitterte Turmhahn vom Kirchturm entfernt und ein neuer glänzender Turmhahn aufgestellt.
Den alten Turmhahn bekam der Dorfschmied für ein paar Groschen. Als Mörike an diesem Tag an der Schmiede vorbei kam und seinen Kirchturmhahn so schäbig auf dem Boden liegen sah, überkam ihn Wehmut und er kaufte den Turmhahn dem Schmied wieder ab und stellte ihn bei sich zuhause auf den Ofen obenauf. Die Bediensteten und auch der Schmied waren erstaunt und konnten sich nicht ausmalen was Mörike mit dem alten Turmhahn vorhatte.
Für Mörike war der Kauf ein beglückender Moment. Lange hatte der alte Turmhahn der Kirche auf dem Kirchturm gedient und jetzt sollte er einfach entsorgt und eingeschmolzenen werden in der Schmiede. Nein er hatte Besseres verdient und so erfreute sich Mörike am Turmhahn auf seinem Ofen.
Und dann hatte Mörike die wundervolle Eingebung ein Gedicht über den alten Turmhahn zu schreiben. Aber es war ein ganz besonderes - ja außergewöhnliches Gedicht. Er ließ den alten Turmhahn erzählen über sein Dasein auf dem Kirchturm. Der alte Turmhahn erzählte was er alles erlebt hatte bei Wind und Wetter - vor allem erzählte er aber was er im Dorf gesehen und gehört hatte. Von Menschen und Tieren und allem was für ihn wichtig war. Das Leben im Dorf aus der Sicht des Turmhahns. Auch beschreibt er sein neues Leben auf dem warmen Ofen im Pfarrhaus und dass er nicht mehr im kalten Winter auf dem Kirchturm stehen und frieren muss. Besonders erfreut ist er aber, wenn nach getaner Arbeit sein Retter noch spät abends bei ihm im Zimmer am warmen Ofen sitzt und schreibt.
Der alte Turmhahn ist eines seiner bedeutendsten Gedichte, die Mörike geschaffen hat. In diesem Gedicht verarbeitet er in literarischer Form seinen Aufenthalt in Cleversulzbach. Mit nur 39 Jahren beantragt er aus gesundheitlichen Gründen seine Versetzung in den Ruhestand. Gnadenhalber bekommt er eine kleine Pension, die aber für sich und seine Schwester zu klein ausfällt.
Mörike hatte ein ruheloses Leben, er reiste viel und hatte ständig neue kurze Wohnsitze.
1851 heiratet er die katholische Margarethe von Speeth und sie ziehen mit seiner Schwester Klara zusammen nach Stuttgart. Sie bekommen zwei Töchter. In Stuttgarter arbeitet er am Königin-Katharina-Stift und unterrichtete dort 10 Jahre lang Literatur. Er erhält viele Ehrentitel und Auszeichnungen. Er war einer der bedeutendsten deutschen Lyriker seiner Zeit. Er starb im Alter von 70 Jahren - seine Grabstätte ist auf dem Pragfriedhof in Stuttgart.
Viel Zeit und die nötige Muse braucht man um das ganze Gedicht vom alten Turmhahn zu lesen. Es ist sehr unterhaltsam geschrieben. Man fühlt sich hineinversetzt in die damalige Zeit und erlebt förmlich hautnah die Erzählungen des Turmhahn. Das Gedicht findet man im Internet.
Ich hoffe, dass mein kleiner biografischer Einblick über Eduard Mörike für euch ein kleiner Anreiz war und euer Interesse am Mörike-Pfad geweckt hat. Würde mich freuen.
Ich kann die literarische Zeitreise auf dem Mörike-Pfad in Cleversulzbach empfehlen - 6,5 km Länge - Dauer ca. 2 Stunden. Über die Öffnungszeiten des Mörike Museums sollte man sich Coronabedingt aktuell informieren. Die Wege sind gut begehbar - Asphalt.
Autor:Heide Böllinger aus Bad Friedrichshall |
13 Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.