Weinpatenschaften in Heilbronn im Dritten Reich
"Saufen für den Führer"

Vortrag mit Dr. Christof Krieger

Der Traben-Trabacher Museumsführer stellte in diesem Vortrag im Heinrich-Fries-Haus, Heilbronn, ein ungewöhnliches Kapitel der Heilbronner Stadtgeschichte vor. Christof Krieger gab den zahlreichen Zuhörern, am Beispiel des Anbaugebietes Mosel, Saar, Ruwer, überraschende Einblicke in einen dunklen Abschnitt deutscher (Wein-) Geschichte.

Es begann mit den Krisen geschüttelten Jahren des Weinbaus an der Mosel, der staatlichen Weinbaupolitik, Weinbaupropaganda und Weinwerbung in der Weimarer Republik in den 20-er-Jahren und derem jähen Ende.
Das nutzten die Nationalsozialisten nach 1933 und versuchten durch ihre „Blut und Boden“- Ideologie und Parolen, wie „Wein istVolksgetränk“, dem einheimischen Wein neue Abnehmerkreise zu erschließen und so unabhängig von Weinimporten zu werden.
Die Rekordjahrgänge 1934 und 1935 erforderten nicht nur die Durchsetzung zuvor festgelegter Mindestpreise, sondern auch die Notwendigkeit, zwei hervorragende Erntejahre unterzubringen.

Weil sie befürchteten, auf ihren Traubenerzeugnissen sitzen zu bleiben, erinnerten die Winzer die Nationalsozialisten an ihr Wahlversprechen, ihnen zu helfen. Mit einer Weinpropaganda, z.B. der Wahl von Weinköniginnen, den Patenschaften und vielfältigen Anweisungen, die das Trinken von Wein geradezu als „Nationalpflicht“ beschwor, wurde der Wein zum „Volksgetränk.“

Zu einer guten und erfolgreichen Aktion wurde aber damals vor allem die Einführung von Weinpatenschaften, die beim ersten Deutschen Weintag 1934 in Düsseldorf mit dem Saar-Winzerdorf Wiltingen ihren Anfang nahmen und zu einer reichsweiten Propaganda-Veranstaltung anwuchsen. In den Jahren 1935-1937 übernahmen mehr als 1000 Städte vom Ruhrgebiet bis nach Ostpreußen „Weinpatenschaften“ für einzelne Winzerorte . Sie wurden als volkstümliches Weinfest mit Umzügen, etc. vom Parteiapparat der NSDAP (nicht von den Winzern) vorbereitet und durchgeführt und galten schnell allgemein als „Saufen für den Führer.“
Zusammen mit den umfassenden Propagandamaßnahmen des Reichsnährstandes und der Deutschen Arbeitsfront mit ihrer Unterorganisation „Kraft durch Freude“ (z.B. Durchführung von Reisen in die Weinorte) erwies sich das als die umfassendste Weinabsatzaktion, die es jemals in Deutschland gab.

Doch der Slogan „Wein ist Volksgetränk“ zeigte sich schließlich als Bumerang. Als im Herbst 1936 Fröste die Weinernte weitgehend zunichte machten, stiegen die Weinpreise immens an. Darauf wurden Höchstpreise festgesetzt, was Weinpanschereien zur Gewinnung von günstigem Patenwein zur Folge hatte. Der Weinmarkt wandelte sich: von der Absatzkrise zur Weinknappheit. Die Institutionalisierung der Weinwerbung im NS-Staat durch die Schaffung einer eigenständigen Zentralorganisation schien nun überflüssig zu sein.

Doch trotz der schlechten Ernte im Vorjahr wurde die Weinförderung auch 1937 weitergeführt. So heizte man die Nachfrage an, ohne sie bedienen zu können.

Hintergrund der intensiven Weinpropaganda war aber auch das Wettbewerbsdenken unter den Gauleitern der Pfalz (Bürckel) und der Mosel (Simon). Sie konkurrierten um das bedeutendste Weinanbaugebiet im Reich. Simon hatte die Weinpatenschaften vorangetrieben, auf Bürckel ging die Idee der Weinstraße zurück.
Die deutsche Weinstraße in der Pfalz warb damit, die erste und bekannteste Weintouristikroute der Welt zu sein.

In Heilbronn gab es 1937 eine Weinbaumesse, die alle Dimensionen der bisher üblichen Ausstellungspraxis sprengte. Auch wurden der württembergischen Weinmetropole u.a. die Städte Crailsheim, Freudenstadt und Rottweil als konsumfreudige „Patenonkel“ zugeteilt. Heilbronn diente umgekehrt aber auch den umliegenden Weinbaugemeinden als Weinpatenstadt.
Noch nie zuvor und auch nicht danach, hat es in Deutschland eine gewaltigere Weinpropaganda für die heimischen Winzer gegeben als die in den Friedensjahren des Dritten Reiches.

Dr. Christof Krieger (Jahrgang 1978) studierte Geschichte Germanistik und Philosophie an den Universitäten Gießen und Trier. Er hat sich im Rahmen seiner Dissertation mit dem Thema „Weinpropaganda im Dritten Reich“ am Beispiel des Anbaugebietes Mosel, Saar, Ruwer befasst. Der Historiker ist seit 2001 Leiter des Traben-Trabacher Mittelmoselmuseums.

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Autor:

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