Artenschutz am Bau: Schwalbennester stehen unter Schutz
Sie sind als Frühlingsboten beliebt und ihr markanter Gesang und ihre schlanken Silhouetten am Himmel gehören für uns zum idealen Sommer: Schwalben. Doch als Gebäudebrüter sind sie bzw. ihre Hinterlassenschaften nicht immer gerne gesehen. Und bei Baumaßnahmen oder Gebäudesanierungen werden ihre Ansprüche oft übersehen. Wie ist aber die Gesetzeslage rund um Schwalbenschutz und Bauvorhaben?
Das Wichtigste vorweg: Mehl- und Rauchschwalbe zählen klar zu den geschützten Arten. Und auch wenn der Schwalbenkot am Haus nicht jedem gefällt, die Entfernung oder Beschädigung der Schwalbennester ist grundsätzlich gesetzeswidrig. Basis für den Schutz ist das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), dort § 44 Abs. 1 Nr. 3. Der Paragraf regelt den ganzjährigen Lebensstättenschutz.
Demnach ist es verboten Fortpflanzungs- oder Ruhestätten wild lebender Tiere erstens aus der Natur zu entnehmen und zweitens zu beschädigen bzw. zu zerstören.
Wer nun meint, dass die Gesetzes-Formulierung „aus der Natur“ den Siedlungsbereich ausnimmt, der irrt gewaltig. Zur Natur gehört jeder Bereich, den Wildtiere besiedeln und als Lebensraum nutzen. Bei Kulturfolgern wie Schwalben, Spatzen oder Igeln sind die Lebensstätten laut Rechtsprechung als „in der Natur“ befindlich geschützt, auch wenn die sich in oder an unseren Gebäuden oder in unseren Gärten befinden.
Schwalben nutzen Nester über viele Jahre
Zentral ist insbesondere bei Zugvögeln wie den Schwalben auch derganzjährige Schutz ihrer Lebensstätten. Das bedeutet: Auch wenn die Insektenfresser erst im April von Afrika kommend wieder bei uns eintreffen und ihre Nester beziehen, ist es nicht erlaubt, diese während ihrer Abwesenheit zu zerstören oder zu beschädigen. Das gilt für Rauchschwalben, die im Gebäudeinneren brüten, und für Mehlschwalbe, die außen z. B. unter Dachvorsprüngen ihre Wohn- und Kinderstuben haben. Noch dazu handelt es sich bei beiden Schwalbenarten um nesttreue Vogelarten. Sie benutzen ihre alten Nester immer wieder und bauen neue an alter Stelle. Deshalb gilt der Schutz auch für Reste von Schwalbennestern. Denn sie bilden den Grundstein für den Wiederaufbau eines Nestes. Geschützt ist auch das Schwalben-Kunstnest an einer Fassade, das von Schwalben angenommen wurde. Wechselt ein Haus den Besitzer, dann darf der neue Hausherr also die vom Vorbesitzer angebrachten Schwalben-Kunstnester nicht ohne behördliche Erlaubnis entfernen.
Kurzum: Alles, was Schwalben rundum um ihr Nest das Leben schwermacht, ist verboten. Dazu zählt auch, wenn Nester unbewohnbar gemacht werden. So ist es verboten, das Einflugsloch zu versperren (durch Werbetafeln oder Baunetze) oder Kotbretter so hoch anzubringen, dass die Tiere ihre Nester nicht mehr anfliegen können. Das ist laut Fachliteratur bei einem Abstand, der geringer als 40 cm ist, bereits klarer Fall.
Was nun aber tun, wenn Renovierungen anstehen und Schwalbennester da sind?
Auch hier das Wichtigste vorweg: Setzen Sie sich im Vorfeld der baulichen Umsetzungen mit Ihrer Naturschutzbehörde in Verbindung!
Der Gesetzgeber bietet Häuslesbauern drei Auswege, um den Konflikt zwischen Schwalbenschutz und Bau- bzw. Sanierungsprojekt zu lösen: 1.) vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen, 2.) Ausnahmen und 3.) die Befreiung.
- Bei der Sonderregelung der vorgezogenen Ausgleichsmaßnahme liegt die Tücke im Detail: Die Ausgleichsmaßnahme muss im Vorfeld so geplant werden, dass sie auch tatsächlich später nachhaltig funktioniert. Es reicht also nicht aus, die Sanierung im Winterhalbjahr durchzuführen, Kunstnester anzubringen und dann zu hoffen, dass die Vögel sie auch annehmen. Nein, § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG spricht von der fortwährenden („weiterhin“) ökologischen Funktionalität und Satz 3 bloß von „vorgezogenen“ Ausgleichsmaßnahmen, weshalb die Ersatzstätte (Kunstnester) bereits im Zeitpunkt des Zugriffs (Entfernen von der Fassade) angebracht sein müssen. In der Praxis ist dies es meist ein schwieriges Unterfangen.
- Auch für Punkt 2, die Ausnahme, müssen zwingende Gründe vorliegen. Hauptgrund für die Erteilung von artenschutzrechtlichen Ausnahmen sind in der Praxis das Vorliegen zwingender wirtschaftlicher Gründe, die auch dem Allgemeinwohl dienen (vgl. § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG). Die Dienlichkeit für das Allgemeinwohl nachzuweisen, ist jedoch für private Vorhaben sehr schwer.
Wer also in oder an Gebäuden mit Schwalbennestern Sanierungsarbeiten plant, braucht
- eine Befreiung von § 44 BNatSchG nach § 67 Abs. 2 BNatSchG. Voraussetzung ist eine belegbare unzumutbare Belastung. Das könnte z. B. ein rechtlicher Grund sein, wie die Auflage zur Klimaneutralität bei Gebäuden bis 2050 durch die Energieeinsparungsverordnung oder ein faktischer Grund, wie ein Hochwasserschaden. Wird eine Befreiung erteilt, werden zumeist dennoch Nebenbestimmungen (nach § 67 Abs. 3 Satz 1 BNatSchG) erlassen, damit die ökologische Beeinträchtigung ausgeglichen wird ( § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG ). Bestimmt werden kann z.B., dass die Gebäudesanierung während der Abwesenheit der Schwalben vorgenommen wird und die Ersatzstätte vor Rückkehr der Tiere an gleicher Stelle errichtet oder ortsnahe Ausweichquartiere geschaffen werden müssen.
Ansprechpartner in allen Belangen sind die Naturschutzbehörden. Sie überwachen die Einhaltung der Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes (hier des § 44 Abs. 1 BNatSchG) und treffen die im Einzelfall als verhältnismäßig erachteten erforderlichen Maßnahmen – und verhängen auch Bußgelder. Die Verhältnismäßigkeit hängt tatsächlich vom Einzelfall ab: Ein 1:1-Ersatz durch Schwalben-Kunstnester kann z. B. angeordnet werden, wenn in der Umgebung keine lehmigen Offenbodenstellen für das Nestbaumaterial vorhanden sind, oder der Insektenmangel den Kraftaktes des Nestneubaus weiter erschwert.
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