Artenschutz? Betrifft mich nicht... doch!
Morgen ist der 3. März, der Tag des Artenschutzes. Und wenn wir nicht schnellstens handeln, wird aus diesem "Aktionstag" bald ein "Gedenktag". Klingt langweilig? Okay, wenn Sie denken, dass das alles mit Ihnen nichts zu tun hat – so wenig wie der Tag der Blockflöte. Stimmt aber nicht.
Wir verhalten uns derzeit wie Kinder am Bauklötzchen-Turm, die schauen, wie viele Klötzchen sie entfernen können, bis der ganze Turm einstürzt – und zwar über unseren Köpfen. Eine Tier- und Pflanzenart nach der nächsten springt über die Klinge unserer „modernen“ Lebensart. Und wir haben keine Idee, ab welcher Art bzw. Artengruppe das gesamte Ökosystem kollabiert.
Was, wenn die Bestäuber ausfallen?
Dass Bienen für die Bestäubung von Nahrungs- und Nutzpflanzen wichtig sind, dass haben wir irgendwie begriffen. Dass aber nicht nur Honigbienen zentrale Bestäuber sind, sondern auch viele Wildbienen- und weitere Insektenarten, das interessiert viele kaum. Von den 560 Wildbienenarten in Deutschland ist schon die Hälfte bedroht. Was, wenn die Bestäuber ausfallen? Dann wird es eng, nicht nur am Eßtisch. Und was, wenn das Bodenleben – also die Vielzahl an Lebewesen, die einen Boden gesund und fruchtbar erhalten – zusammenbricht? Egal! Da wird zubetoniert, ausgebeutet, gegiftelt, vermüllt als ob es kein Morgen gäbe. Wie sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres Ende Februar: "Wir haben einen sinnlosen und selbstmörderischen Krieg gegen die Natur geführt. (…) Das Resultat sind drei miteinander verbundene Umweltkrisen: Eine Klimastörung, Verlust von Artenvielfalt und Umweltverschmutzung, die alle zusammen unsere Überlebensfähigkeit als Spezies bedrohen."
Langweilig allgemein? Zu weit weg? Ein paar Zahlen: Fast die Hälfte (44,7 Prozent) aller einheimischen, regelmäßig in Baden-Würtemberg brütenden Vogelarten wird bereits in den Gefährdungskategorien der Roten Liste geführt. In Zahlen: 89 von 199 Arten. Allein 25 Arten - also schockierende 12 % - sind bereits ausgestorben. Zuletzt ist die Kornweihe als Brutvogel hierzulande ausgestorben, Offenlandarten wie Rebhuhn und Kiebitz werden wohl bald folgen. Das sind Zahlen der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) von 2016. Und trotz allen Monitorings, spezieller Schutzprogramme und Aktivitäten von Naturschützern spricht die LUBW von einer „dramatischen Situation der unzureichenden Schutzmaßnahmen“. Was hier auf Vögel bezogen ist, kann getrost auf alle bedrohten Tier- und Pflanzenarten im Ländle ausgeweitet werden.
Wenig Licht, viel Schatten
Ende Januar diesen Jahres hat die Landesregierung – immerhin eine grün-schwarze – ihren alle 5 Jahre anstehenden Bericht zur Lage der Natur veröffentlicht. Es wundert nicht, was da zu lesen ist: „Die bisherigen Maßnahmen sind nur erste Schritte auf dem Weg zu einem Stopp des Artensterbens und zu einer Trendwende.“ Oder anders formuliert: Vom Ziel das Artensterben aufzuhalten ist auch ein grüner Umweltminister unter grünem Landesvater meilenweit entfernt. Denn wo täglich knapp 5 Hektar Lebensraum verloren gehen, kann keiner mehr von gelingendem Artenschutz sprechen – dafür ist der Verlust an Lebensräumen viel zu gravierend.
Singuläre Maßnahmen wie Nationalparke, Biophärengebiete, Sonderprogramme oder kommunale Blühwiesen fallen bei der Gesamtschau kaum ins Gewicht. Gemessen an den Gesamtzahlen wirkt es wenig erleichternd, dass sich die Lage für Wanderfalke, Biber Steinkauz, Wildkatze und Weißstorch verbessert. Was zählt ist, dass von den rund 50.000 Tier- und Pflanzenarten in Baden-Württemberg bereits 40 Prozent gefährdet sind. Was zählt, ist, dass nur noch ein Drittel aller Biotoptypen im Land ungefährdet ist, dass mehr als zwei Drittel der Flüsse eine nur mäßige Wasserqualität aufweisen. Und bei all dem ist der Klimawandel noch nicht mitgerechnet: Zu glauben, dass nur der arme Eisbär in der fernen Arktis seinen Lebensraum verlieren wird, ist illusorisch. Auch hierzulande trifft der Klimawandel mit voller Wucht die Arten – am bestens sichtbar jetzt schon an unserem Wald. Das Drama für alle anderen Tier- und Pflanzenarten wird aber bald genauso offenkundig werden.
Die Sache mit der eigenen Nase
Vielleicht ist es Ihnen längst klar geworden: Um darauf zu warten, dass andere etwas tun (der Staat, die Polen mit ihren Kohlekraftwerken oder die Chinesen) ist es zu spät. Wenn Sie wollen, dass Ihre Enkel in einer halbwegs gesunden Umwelt groß werden, müssen Sie – ja, Sie persönlich ! - jetzt aktiv werden. In Ihrem Garten, in Ihrem Einkaufsverhalten, in Ihrer Mobilität, bei Ihrem Hausbau…. Und vielleicht macht es Ihnen ja auch klar, weshalb Umweltschutzorganisationen wie der BUND manchmal so nervig gegen Flächenverbrauch demonstrieren, Kröten von Straßen aufsammeln oder sich gegen das Fällen alter Bäume stemmen. Wenn nicht: Sägen Sie bitte weiter an dem Ast, auf dem Sie sitzen!
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