Auswanderung Goldland
Auf der Suche nach dem Glück - Auswanderer aus dem Zabergäu

Der Mensch geht schon immer dorthin, wo es ihm besser geht. Oder wo er denkt, dass es ihm besser geht. Die Gründe, die Heimat zu verlassen, sind vielfältig.
Suchen heute viele Geflüchtete Schutz bei uns vor Kriegen in ihrem Heimatland, machten sich vor allem im vorletzten Jahrhundert immer wieder Menschen aus dem Zabergäu auf die Suche nach einem wirtschaftlich besseren Leben.
Beim April-Stammtisch des Zabergäuvereins nahm Referentin Heidrun Lichner die Zuhörer in der „Pizzeria Pavarotti“ in Frauenzimmern mit auf die Reise einiger Emigranten, deren Wege eines gemeinsam hatten: Sie führten sie nicht in ein besseres Leben.
1899 bricht Karl Schlayh aus Leonbronn auf. Aus den Briefen des hitzköpfigen Schusters in die Heimat kann man einen Teil seiner Reise nachverfolgen. Zu Fuß geht es zuerst zu einer Tante nach Stuttgart, wo er als Lackierer arbeitet, bis das Geschäft bankrottgeht. Über Heidelberg, Kassel, Bremen zieht er weiter bis nach Kiel, unterbrochen von einem Krankenhausaufenthalt wegen wunder Füße in Hildesheim und wegen eines Aufenthalts im Gefängnis nach einem Duell. In Kiel arbeitet er „als sein eigener Herr“ im Schiffsbau. Eine gute, jedoch kurze Zeit.
Zwei Jahre später erhält der Vater von dem mittlerweile arbeitslosen Karl aus Hamburg einen Brief mit der Bitte um 150 Mark aus dem mütterlichen Erbe, um ins „Goldland Afrika“ auswandern – wovon sein Vater später vielleicht auch profitieren könne.
Ein letzter Brief kommt aus dem ägyptischen Alexandria. „Furcht habe ich nicht, selbst vor dem Satan nicht.“ Auf dem Weg nach Afrika möchte er einen Umweg über Jerusalem und Bethlehem einlegen. „Ich wage nun alles, ich habe nichts zu verlieren. Dem Brief legt er ein Abschiedslied bei: „Zieh hinaus beim Morgengraun.“ Danach verliert sich seine Spur.
Sehr häufig seien Waisen, die nicht mehr in der Familie eingebunden waren, ausgewandert, stellte Heidrun Lichner bei ihrer Recherche fest. Oder „Wirtschaftsflüchtlinge“, die dem Hunger entgehen wollten, wie Karl Schlayh oft in der Hoffnung, der Familie zu Hause helfen zu können.
Auch der Zaberfelder Jakob Heinrich Feucht, 53 Jahre alt, sucht mit seiner Ehefrau Katharina sein Glück im Ausland: in Russisch Polen.
Der ehemalige Leonbronner Pfarrer Karl Schlenker hat die von den Auswanderern nach Hause geschickten Briefe gesammelt, und im Staatsarchiv Ludwigsburg finden sich von J.H. Feucht Auswanderungsurkunde und Verzichtsurkunde auf das Bürgerrecht für sich und seine Familie.
Der Weg führt sie über Crailsheim, Nürnberg, Görlitz nach Warschau. Aber obwohl Feucht unterschrieben hat, dass er nicht zurückkehrt, macht er sich auf den Rückweg, nachdem er Horrorgeschichten von Rückkehrern aus Südrussland hört.
Seine Frau ist bereits an einer Seuche gestorben. Da er vom Heimatpfarrer keinen Totenschein für sie erhält, versucht er, ins Zabergäu zu gelangen. Sein Geld verdient er unterwegs als Quacksalber, landet wegen einer Anzeige gegen ihn im Gefängnis. Sein trauriges Ende: Selbstmord durch Erhängen!
Völlig anders, aber nicht weniger unglücklich, ist das Los von Gottlob Dinkel aus Leonbronn, der ins Oberelsass flieht, da ihm ein Militärstrafverfahren droht wegen Fahnenflucht und Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Er heiratet in Belfort, wird im Ersten Weltkrieg gefangen genommen, um nicht gegen die Franzosen kämpfen zu können. Auch Frau und Kinder wandern ins Gefängnis, allerdings in eines nahe der spanischen Grenze.
Immerhin schafft es die Frau, mit ihren Kindern und einer weiteren Französin, nach Leonbronn ins „Feindesland“ ausreisen zu können.
Was mit Gottlob Dinkel passiert, ist nicht bekannt. Der letzte Brief, von dem man weiß, kommt 1915 aus der Bretagne.
Wer selbst nachforschen und vielleicht nach Familienmitgliedern suchen möchte, wird möglicherweise unter der folgenden Adresse fündig:
www.familyhistory.org
Einträge in Archiven werden nach 110 Jahren öffentlich.

Autor:

Zabergäuverein aus Güglingen

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