Verbraucherschutz
Schneewittchenäpfel? Grenzwert für gefährliches Pestizid soll ums 20-Fache erhöht werden

Prall, rot, saftig – doch was darin steckt, könnte uns den Appetit verderben... | Foto: Bild von PublicDomainPictures auf Pixabay
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Nicht jeder optische Genuss ist auch ein gesunder… Durch das nasse Wetter in der Bodensee-Region sind viele Äpfel mit dem optische unschönen, aber gesundheitlich unbedenklichen Schorfpilz befallen. Jetzt soll deshalb der Grenzwert für das wahrscheinlich krebserregende Pestizid Folpet in Äpfeln und Birnen um das Zwanzigfache hochgesetzt werden! Also Augen auf beim Apfelkauf!

Krebserregend und erbgutverändernd?

Das Fungizid Folpet ist akut toxisch. Es gilt als wahrscheinlich krebserregend und erbgutverändernd. Folpet gehört zur Stoffgruppe der Pestizide und wird eingesetzt, um pilzliche Schaderreger zu töten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) will nun wegen des Schorfpilzes den EU-weiten Grenzwert Folpet-Grenzwert in Äpfeln und Birnen per Notfallgenehmigung um das Zwanzigfache erhöhen: von 0,3 Milligramm pro Kilogramm auf 6 Milligramm pro Kilogramm. Dies gilt nur für diese Saison. Die Obstbäuer*innen, die Folpet einsetzen, dürfen ihre Ware dann nur noch in Deutschland verkaufen, nicht in der gesamten EU. Die Notfallgenehmigung gilt für 3 Landkreise in der Bodensee-Region, von wo jeder 3. Apfel stammt, der in Deutschland verkauft wird.

Apfel-Schorf: So entsteht er

Das Fungizid Folpet soll Apfel-Schorf bekämpfen. Der entsteht durch den Schorfpilz Venturia inaequalis. Die Pilzsporen überwintern im Falllaub. Durch den Wind werden sie im Frühjahr auf die jungen Apfel-Blätter geweht. Wenn es dann viel regnet und über zehn Grad warm ist, breiten sich die Pilzsporen auf den Blättern und Früchten aus.Da Folpet jetzt gespritzt wird, bleibt es als Rückstand in den Äpfeln. Deshalb will das BVL jetzt bundesweit die Grenzwerte für Kernobst anheben.

Apfel-Schorf ist kein Gesundheitsrisiko

Dabei kann man Äpfel mit Schorf bedenkenlos essen, denn Apfel-Schorf hat keine gesundheitlichen Auswirkungen. Die Äpfel lassen sich lediglich nicht so lange lagern, da die Schorfstellen rissig werden können. Den Schorf erkennen Sie an leicht gewölbten dunkelgrünen oder braune Flecken. Wenn Sie den Schorf nicht mitessen möchten, können Sie die betroffenen Stellen vor dem Verzehr einfach rausschneiden.

Pestizidrückstände sind gesundheitliches Problem

Apfel-Schorf ist ein rein ästhetisches Problem. Supermärkte präsentieren gerne makelloses Obst, frei von Beulen, Dellen oder Runzeln. Jedoch ist Obst, das nicht vermeintlich makellos ist, genauso lecker wie Obst, das einer ästhetischen Norm entspricht. Das viel größere Problem als unperfektes Obst ist die Pestizid-Belastung von Äpfeln, Erdbeeren, Kirschen oder anderen Lebensmitteln. 23 % der europäischen Lebensmittel enthielten im Jahr 2022 Mehrfachrückstände mit bis zu 43 verschiedenen Pestizid-Wirkstoffen pro Lebensmittel. Das zeigt der Lebensmittelmonitoring-Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit. Auch ein stichprobenartiger Erdbeer-Test des BUND im Jahr 2023 hat ergeben, dass vier von fünf verkauften Erdbeeren Pestizide enthalten. Auch wenn Obst die geltenden Pestizid-Grenzwerte nicht überschreitet, können Pestizid-Cocktails ein gesundheitsschädliches Risiko darstellen. Denn zwischen den Pestiziden können Wechselwirkungen entstehen. Das verstärkt ihre giftige Wirkung. Diese Wechselwirkungen werden aber durch die geltenden Grenzwerte nicht ausreichend berücksichtigt.

Pestizide auch für Tiere und Umwelt schädlich

Pestizide sind nicht nur für uns Menschen, sondern auch für Insekten, Vögel und andere Kleintiere schädlich. Pestizide töten Insekten wie Wildbienen, Schmetterlinge und Fliegen. Die sind wiederum für die Bestäubung unserer Pflanzen und als Nahrungsgrundlage für Vögel, Igel, Fledermäuse und viele andere Tiere unverzichtbar. Pestizide gelangen auch in unsere Luft, unsere Böden und unser Grundwasser. Pestizide sind also für unser gesamtes Ökosystem schädlich. Das Fungizid Folpet ist für Fische und Wasserorganismen hochgiftig. Deswegen muss sich Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dafür stark machen, dass weniger Pestizide eingesetzt werden. Notfallzulassungen und Grenzwerterhöhungen für gefährliche Pestizide müssen gestoppt werden.

Extrem-Wetter kein Problem einer Saison

Durch die menschengemachte Klimakrise wird es in Zukunft vermehrt Extremwetter-Ereignisse mit Starkregen, wochenlanger Dürre oder hohen Temperaturen bereits im Frühjahr kommen. Die Probleme, die dadurch für den Anbau von Obst und Gemüse entstehen, lassen sich nicht durch Notfall-Verordnungen für eine Saison lösen. Stattdessen muss die Landwirtschaft nachhaltig umgebaut werden. Apfel-Schorf lässt sich beispielsweise vermeiden oder reduzieren, wenn widerstandsfähige Apfelsorten angebaut werden, die Bäume regelmäßig geschnitten werden (sorgt für gute Belüftung), Falllaub beseitigt wird und mit organischem Material gedüngt wird. Auch der Lebensmittelhandel muss umsteuern: Obst und Gemüse muss nicht perfekt aussehen, um verkauft zu werden. Beim Anbau von Bio-Obst und Gemüse werden übrigens keine chemisch-synthetischen Pestizide eingesetzt. Der Bio-Lebensmittelhandel hat auch eine höhere Toleranz gegenüber Schönheitsfehlern im Obst.

Zu heimischen, alten Sorten greifen!

Deshalb: Greifen Sie lieber zu Äpfel aus der Region, gerne von heimischen Streuobstwiesen. Dort wachsen meist unterschiedliche, alte Sorten, die häufig robuster gegen Schaderreger sind als die in Monokultur gezogenen hochgezüchteten „Supermarkt-Apfelsorten“. Sie werden meist auch von Menschen mit Apfelallergie viel besser vertragen. Gerade jetzt sind viele Apfelbäume auf kommunalen Flächen zum Abernten freigegeben - oftmals ist dies mit gelben Schleifen oder einer „Pflück-mich“-Banderole gekennzeichnet. So können Sie den Streuobstwiesenschutz mit gesundem Genuss verbinden!

Autor:

BUND Regionalverband Heilbronn-Franken aus Heilbronn

Lixstraße 10, 74072 Heilbronn
+49 7720 58
bund.franken@bund.net
Webseite von BUND Regionalverband Heilbronn-Franken
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