Ein Rundgang durch Kocherstetten - Plakate und Info-Texte
Kocherstetten war schon vor rund 150 Jahren als idyllisch gelegenes Dorf bekannt. In der umfangreichen "Beschreibung des Oberamtes Künzelsau" von 1883 findet man nur zwei Abbildungen von Orten, davon zeigt eine die Ansicht von Künzelsau, die andere ist die von Kocherstetten!
DIE KELTER:
Sie wurde von den Herren von Stetten 1768 außerhalb des Dorfes in der Nähe der Weinberge gebaut. Es ist ein 11x27m großes Steingebäude mit 2 Rundbogentoren und einem mächtigen Dach, das man heute noch von Weitem inmitten der seit 1960 entstandenen Wohngebiete gut erkennen kann.Die Kelter hatte einen Vorgängerbau, der baufällig geworden war. Sie diente vermutlich auch als Zehntscheuer.
DER WEINBAU:
In den 1930er Jahren wählte man wieder die Ansicht von Kocherstetten aus, diesmal, um damit Fremdenverkehrswerbung für ‚Das schöne Kochertal‘ zu machen. Die Weinreben, die die Titelseite zieren, gelten auch für Kocherstetten, den am höchsten gelegenen Weinort im Kochertal.
Seit dem Mittelalter wurde am Rainlesberg und am Schlossberg Weinbau betrieben. Der Wein aus Kocherstetten war zum Beispiel in Schwäbisch Hall beliebt, wurde aber auch vor Ort gerne und reichlich getrunken. Zeitweise wurde sogar eine Weinglocke geläutet, um die Wirtshausbesucher ans Heimgehen zu erinnern. Dies war eine Maßnahme gegen 'alles überflüssige Vollsaufen, da man weder gehen noch stehen oder reden kann'.
Noch um 1860 stand der Weinbau an erster Stelle der Erwerbstätigkeit, was sich dann aber zu Gunsten von Ackerbau und Viehzucht, später Obstanbau änderte. Um 1900 gaben die meisten ‚Häcker‘, wie die Weinbauern genannt wurden, die Weinberge auf, weil eine Rebkrankheit alles zerstört hatte. Danach gab es nur noch 3 Familien, die bis um 1970 weiter Weinbau betrieben. Die Kelter ging an die Gemeinde über und wurde etwa 70 Jahre lang nur noch als Scheune benutzt.
DIE EINGEMEINDUNG:
Vor der Eingemeindung nach Künzelsau wurde in Kocherstetten auch die Option eines Zusammenschlusses von Kocherstetten und Lassbach mit Braunsbach eingebracht, doch bei einer Bürgeranhörung am 12. Dezember 1971 wurde mit knapper Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen die Eingemeindung von Kocherstetten nach Künzelsau beschlossen.
Gedicht: Eingemeindung – vorher (Heinrich Bader, 1898-1993) siehe Abbildung 30
Kocherstetten verschaffte sich durch den Posaunenchor anlässlich der Eingemeindung am 1.1.1972 am Künzelsauer Rathaus musikalisch Gehör. (Der Posaunenchor wurde 1953 gegründet und besteht bis heute.) Das Wappen am Alten Rathaus erinnert daran, dass die Herren von Stetten früher Ganerben von Künzelsau waren – eine starke Verbindung von Kocherstetten zu Künzelsau gab es also schon über Jahrhunderte.
Anlässlich der Eingemeindung sollte Kocherstetten eine bis dato fehlende Sport- und Veranstaltungshalle bekommen. Dafür kam die Kelter in Frage, aber auch ein Neubau an anderer Stelle stand zur Debatte.
Nach längerer Diskussion entschieden die Kocherstettener sich am 29.4.1974 für die Restaurierung und Erweiterung der Kelter. Der Kostenrahmen von 320 000 DM konnte zwar trotz rund 4000 freiwillig geleisteten Arbeitsstunden der Kocherstettener Vereine nicht ganz eingehalten werden (rund 80 000 DM Mehrkosten), doch bei der festlichen Einweihung der neuen Kelter am 19.9.1975 waren alle Beteiligten sehr zufrieden.
Hinzu kam 1980 noch ein Hartplatz, und 2000 konnte die Kelterstube eröffnet werden (Do-So geöffnet).
DIE KELTERGASSE … HAUPTSTRAßE … MÜHLSTRAßE
Die Keltergasse führte vom Ortskern an der Schule vorbei zur Kelter. Im Zuge der weiteren Bebauung wurde sie Mitte der 60er Jahre asphaltiert, und anlässlich der Eingemeindung nach Künzelsau wurde sie in Mäusdorfer Straße umbenannt, weil es auch in Künzelsau eine Keltergasse gab, allerdings mit mehr Anwohnern.
Ebenso erfolgte die Umbenennung der Hauptstraße in Haller Straße und der Mühlstraße in Erlesbachgasse.
DIE SCHULE
Das frühere Schulhaus von 1761 (heute Rathaus neben der Kirche) war zu klein geworden. Fast 150 Schülerinnen und Schüler, so viele wie auf einem späteren Foto von 1921, sollten unter besseren räumlichen Bedingungen lernen können.
Oberamtsbaumeister August Ganzenmüller baute das neue Schulhaus, das 1893 eingeweiht wurde. Es bestand aus 2 Schulräumen für 78 bzw. 70 Schüler und ihre beiden Lehrer !! im Erdgeschoss und der Lehrerwohnung im 1. Stock, außerdem gab es weitere kleine Räume unterm Dach.
Die Gemeinde war hochzufrieden mit dem Neubau, besonders die lichtdurchfluteten Räume wurden gelobt. Hinterm Schulhaus war ein großer Garten für die Lehrersfamilie, aber einen Schulhof hatte man nicht. Die Lehmgrube gegenüber, auf dem Gelände des heutigen Gemeindehauses (mit Bücherei!), und die Keltergasse waren der ‚Spielplatz‘ für die Pause.
1952 erhielt die Schule einen Anbau mit Gemeindebad und einen Schulhof, dies noch vor dem Wiederaufbau der Kocherbrücke!
1993 gab es eine große Jubiläumsfeier zum 100jährigen Bestehen vom Schulhaus Kocherstetten, zu deren Vorbereitung mehrere Zeitzeugen befragt wurden. Heinrich Bader nahm als ältester ehemaliger Schüler an der Feier teil.
1994 erfolgte die Sanierung der Schule und der Ausbau des oberen Stockwerkes für Schulzwecke.
In der Chronik der Schulhomepage von 2020 kommen viele Zeitzeugen zu Wort, ihre Erinnerungen sind ein wahrer Schatz, der die Vergangenheit lebendig werden lässt.
Daraus beispielhaft: Interview mit einem Zeitzeugen (als Rätsel nachgestellt) und Gedicht von Heinrich Bader: "Ranzen"
DER GASTHOF OCHSEN
Kocherstetten hatte bis in die 60er/70er Jahre hinein 3 Gasthöfe, die alle erwähnenswerte und interessante Besonderheiten hatten, heute soll (aus Zeitgründen) der Ochsen stellvertretend für alle drei stehen.
Der Ochsen war ein florierender Gasthof mit Gaststube im Erdgeschoss, einem Saal im 1. Stock und einem Gemischtwarenladen. Es gab Fremdenzimmer und oben unterm Dach waren Zimmer für die Bediensteten.
Das Haus war breiter als heute und hatte eine Hofeinfahrt in der Mitte. Herausragend für Kocherstetten war die Dachform mit mittigem Giebel.
Eine weitere Besonderheit ist das steinerne Ochsenwappen links am Gebäude. Vermutlich weist es darauf hin, dass der Ochsen früher eine Station für den Ochsentransport von Hohenlohe nach Paris war.
Wie auch die Wirtsleute vom Adler und der Harmonie legte der damalige Wirt August Schüttler zu Anfang des 20. Jahrhunderts Wert darauf, dass der Gasthof Ochsen auf einer Ansichtskarte vom Ort präsentiert wurde (Foto links).
Wenige Tage vor dem Ende des 2. Weltkrieges, am 12.April 1945, wurde das Haus komplett zerstört, wie 4 weitere Wohngebäude in Kocherstetten. Zeitzeugin Lore Kirchdörfer verlor als Siebenjährige ihr Zuhause. Ihr Bericht ist in der Schulchronik nachzulesen.
Auch im 1951 wieder aufgebauten Ochsen wurden die Gastwirtschaft (bis 1960) und der Kaufladen weitergeführt, letzterer als VIVO-Filiale. Karl Dauner aus Backnang übernahm den Betrieb mit seiner Frau Marta, geb. Schüttler. Er war gleichzeitig Bürgermeister von Kocherstetten, von 1950 bis 1975 und hatte als Wirt und Kaufmann sicher immer einen guten Draht zu den Kocherstettenern.
Die Einweihung der neuen Kocherbrücke wurde 1955 offiziell mit einem „Zusammensein im Gasthaus zum Ochsen“ gefeiert.
Eine Ausstellung bäuerlicher Gegenstände kann im Hof besichtigt werden!
DIE GÄRTEN, DIE LINDE UND DIE KOCHERBRÜCKE
Im Rahmen der Dorfentwicklung wurden Anfang der 90er Jahre die Gärten entlang des Erlesbaches, der offen durch den Ort fließt, einheitlich gefasst. Sie werden bis heute sehr schön gestaltet und gepflegt. Die uralte ehemalige Tanzlinde war noch in den 60ern ein beliebter Treffpunkt für die Dorfjugend, hier findet man immer ein schattiges Plätzchen zum Ausruhen!
1776 wurde die schöne Steinbogenbrücke unter Stetten'scher Herrschaft errichtet
1784 Zerstörung durch ein gewaltiges Hochwasser mit Eisgang
1833 Neubau der Brücke
1945 wurde sie von den Deutschen gesprengt, danach erfolgte der Bau einer Behelfsbrücke
1955 wurde die neu errichtete Kocherbrücke feierlich eingeweiht
DIE MÜHLE
Im Dorf ist eine Mühle seit 1248 belegt. Ein interessantes Foto vom geschäftigen Treiben an der Mühle wurde von dem Kocherstettener Fotografen Friedrich Heinle 1901 aufgenommen. Der damalige Müller hieß Leonhard Körber.
Ab Ende des19. Jh. wurde die Mühle Kunst-und Kundenmühle genannt. Dieser Name erklärt sich daraus, dass Ingenieurskunst die technische Ausstattung modernisiert hatte: Mühlsteine wurden durch Walzenstühle, Wasserräder durch Turbinen und Elektromotoren ersetzt. Nur das Getreide von Kunden wurde gemahlen. Bis ca. 1960 war diese Mühle am Kocher in Betrieb.
DAS AMTSHAUS
Das Amtshaus ist seit undenklichen Zeiten Eigentum der Freiherren von Stetten. Wohl an gleicher Stelle wohnten die Herren von Stetten, solange die Burg gebaut wurde, also etwa von 1090 bis 1185 (vorher in Künzelsau).
Im Amtshaus wohnten (bis 1869) die Amtmänner und hier wurden die Angelegenheiten der Stettenschen Gebiete verwaltet.
Das Amtshaus wird als stattliches Gebäude mit 2 Stockwerken, gewölbtem Keller, einem Anbau, einer großen Scheune, Backhaus, Schweinestall und Hofraum beschrieben.
Rechts an der Giebelseite befindet sich ein besonderer Eckbalken, ein aus Holz geschnitztes Seil. Es sollte die Dorfbewohner daran erinnern, zusammenzuhalten, um jegliche Gefahren zu bestehen.
Gefährlich für den Weg zur Schule oder zum Kindergarten wurden allerdings den Kindern in den 50er Jahren drei frei laufende Gänse, die zum Haus Münch gehörten, davon erzählten gleich mehrere Zeitzeugen.
Das Amtshaus kam im 19. Jahrhundert in Privatbesitz. Mieter und späterer Besitzer (?) war Johann Michael Trabinger, der 1868 an Johann und Barbara Bohler verkaufte. Schon 1874 verkaufte die inzwischen Witwe gewordene Barbara Bohler an den Bauern Georg Münch, dessen Name zum Hausnamen geworden ist.
Anfang der 90er Jahre erfolgte im Rahmen der Dorfentwicklung eine Restaurierung mit Freilegung des Fachwerks.
DIE KIRCHE
... sie verdient eine separate kunsthistorische Führung, hier nur wenige Punkte:
Eine Besonderheit ist Herrschaftssitz der Familie von Stetten, ein von außen sichtbarer Erker, der von außen begehbar ist.
Das Epitaph für Ritter Zürich von Stetten, gestorben am 1. Mai 1422, war zunächst im Chorraum, wurde aber 1956 an der südlichen Außenwand der Kirche angebracht (links). Ebenso das Epitaph des Ritters Eberhard von Layen, gestorben am 23. Dezember 1572 (rechts).
Die Orgel wurde als letztes Instrument der berühmten Heidelberger Orgelbaufamilie Overmann durch Wilhelm Overmann im Jahr 1838 gebaut.
1841 wurde sie in die ev. Kirche Schönau bei Heidelberg eingebaut
1895 wurde sie von der Gemeinde Kocherstetten gekauft
1988 Restaurierung durch Firma Link, Wiedereinbau 1989
Der sehr schön gelegene Friedhof hat im nördlichen Bereich eine Stettensche Abteilung mit sehenswerten alten Grabsteinen.
Autor:Angelika Di Girolamo aus Künzelsau |
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