Lausbubengeschichten von Bruno Gässler 1: Eine Kindstaufe
Die in Morsbach lebende Familie Gässler hat mir die Tür zu einer wahren Schatzkammer aufgeschlossen, deren Schätze, Erinnerungen in Wort und Bild, ich nur zu gerne mit der Community und allen Interessierten teilen möchte.
Bruno Gässler, Jahrgang 1930, der Sohn von Johann und Klara Gässler, hat im Alter von etwa Mitte Siebzig etwas Wundervolles gemacht: er hielt seine Erinnerungen an seine Kindheit und an seinen weiteren Lebensweg schriftlich fest.
Geboren und aufgewachsen ist Bruno Gässler im deutschen Auswandererdorf Eigenheim in Bessarabien. Diese Region liegt am Schwarzen Meer und gehörte damals zu Rumänien; heute gehört sie zur Ukraine bzw. zu Moldawien.
Im Vorwort zu seinen 'Bessarabischen Lausbubengeschichten' schreibt er: "Heute kann ich bei jedem Zusammensein im Freundeskreis und in der Familie mit Geschichten aus der Kinder- und Jugendzeit aufwarten, die viel Heiterkeit erzeugen. Jedes Mal wird mir geraten, alle diese Geschichten aufzuschreiben. So will ich also diesen Rat befolgen."
Eine Kindstaufe
Einer meiner frühesten Streiche, wohl mehr ein Streichlein, trug sich bei einer Kindstaufe zu. Mein Vater war Lehrer und auch Küster und hat als solcher Kinder getauft. Nun war es bei uns so Sitte, dass die Kinder nach der Geburt möglichst schnell getauft wurden, höchstwahrscheinlich wegen der hohen Sterblichkeitsrate. In den Wintermonaten war die Kirche nicht geheizt, so dass die Feierlichkeit in Vaters Arbeitszimmer vollzogen wurde. Das Zimmer war von Mutter mit Taufbecken und Kerzen festlich hergerichtet.
Ich ließ mir diese feierliche Handlung natürlich nicht entgehen und saß artig zwischen den Paten und Gästen. Diese Feier wurde auch mit Gesang verschönt. Man stimmte das Lied an „Liebster Jesu wir sind hier.“ Gespannt wartete ich auf meinen großen Auftritt. Vater machte auf dem Harmonium ein kleines Vorspiel, dann begann man zu singen. Ich habe mit so einer Begeisterung gesungen, dass die Taufgäste so nach und nach herzhaft zu lachen anfingen. Zum Schluss sang ich noch ganz alleine. Mein Vater hat das an seinem Harmonium auch bemerkt und fand das gar nicht so lustig.
Kurzerhand wurde ich gepackt und ins Schlafzimmer abserviert. Der Schmerz war groß und es flossen Tränen. Lange dauerte das nicht, wusste ich doch, dass zum Schluss noch einmal gesungen wurde und das wollte ich auf keinen Fall verpassen, denn warum Vater mich rausgeschmissen hatte, war mir nicht ganz klar. Kurzum, ich beschloss, meine Stimme durch das Schlüsselloch erschallen zu lassen. Dieses war aber zu hoch, und ich erst ein bisschen ratlos. Jedoch fehlte es mir nie an Ideen, und der Zufall war immer auf meiner Seite.
Ich sah unter meinem Kinderbett den Nachttopf stehen. Diesen habe ich umgedreht und dicht an die Tür gestellt, direkt unter das Schlüsselloch. Ich brauchte nicht lange zu warten und schon wurde das Schlusslied angestimmt. Ich sang aus Leibeskräften durch das Schlüsselloch, bis im Zimmer ein solches Gelächter anfing, dass ich es im Schlafzimmer mitbekam.
Da die Feier bereits zu Ende war, musste sogar mein Vater herzhaft mitlachen, und so wurde mir eine größere Strafe erspart.
Autor:Angelika Di Girolamo aus Künzelsau |
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