Lausbubengeschichten von Bruno Gässler 6 : Wein keltern

Vier Jahrzehnte später schätzten sich die Morsbacher glücklich, in Bruno Gässler einen Mann mit vielen guten Ideen und Einfällen als Regisseur für die Theatergruppe zu haben!! Quelle: Festschrift zum 25. Jubiläum des Morsbacher SV , Stefan Kraut
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Mit Spielzeugen und Geschenken wurden die Kinder damals wahrlich nicht verwöhnt. Ich hatte aber Glück, denn mein Opa, obwohl er Kaufmann war, hatte sehr viel Freude am Basteln und Werken, hat alles, was im Haus anfiel, repariert. Er hat der Tante sogar einen großen Webstuhl gebaut, auf dem sie wunderschöne Teppiche und Brücken webte.

Auch ich habe von der Bastelleidenschaft profitiert. Zum Geburtstag erhielt ich einen kleinen Leiterwagen. Damit kam ich bei meinen Freunden glänzend an. Wir spielten „Pferdles“. Mit Hanfschnur bastelten wir Zaumzeug. Zwei waren die Pferde und wurden vor den Wagen gespannt. Einer war der Kutscher und durfte auf dem Wägelchen Platz nehmen. War eine bestimmte Strecke zurückgelegt, wurde gewechselt. Man hat genau darauf geachtet, dass die Strecken gleich lang waren, wenn nicht, gab es Krach oder sogar eine zünftige Rauferei.

In einem Jahr erhielt ich von Opa eine kleine Traubenmühle und eine Weinpresse, und somit wieder mal einen neuen Zeitvertreib. Wir „kelterten“ Gras und Stroh und Blätter, denn man war ja erfinderisch und hatte immer neue außergewöhnliche Einfälle. 

Es kam der Herbst, und die Weinlese begann. Dieser Jahrgang schien vorzüglich zu werden, was bei dem heißen Klima dort am Schwarzen Meer nichts Besonderes war. Die Bauern kelterten emsig und füllten Fass um Fass, welche in langen Reihen in den gewölbten Kellern lagerten. Die Trester wurden auf den Misthaufen gekippt, wo sie zu Kompost verrotteten. Die Weinpressen waren noch nicht so hoch entwickelt, wie wir sie heute kennen, darum war in den Trester noch eine ganze Menge köstlicher Saft enthalten.

Das war für uns Buben die große Gelegenheit. Wir holten uns Trester, die in großen Mengen auf jedem Bauernhof lagen, weichten sie ein, und konnten dann richtig keltern. Das Beste dabei war, dass wir nun richtigen Traubensaft hatten, mit dem wir auch gleich kräftig unseren Durst löschten. Ein Rest blieb im Eimer stehen. Es vergingen einige Tage, bis wir wieder an unsere Kelter kamen. Der Wein war schon fast vergoren und war sehr süffig.

Wir waren sehr stolz auf unser Produkt und haben auch reichlich davon genossen. Als wir dann, blass wie der Tod und schwankend, nach Hause kamen, waren unsere Mütter sehr in Sorge und wussten nicht, was uns fehlte. Man hat vermutet, wir hätten etwas Giftiges gegessen. Einen Arzt gab es nicht, so wollte man uns eben mit Hausmittelchen wie Kamillentee, Wadenwickeln und kalten Umschlägen kurieren. Die Frauen gaben sich gegenseitig Ratschläge und Trost.

Plötzlich kam eine von ihnen zu meiner Mutter gelaufen, sie rief schon von weitem: „Frau Schullehrer, 's isch koi Grond zur Sorge, dia Kerle send b'soffe, meiner hot mr 's ganze Bett verkotzt, dr pure Wei, i mecht wisse, wo die den her hen!“
Mutter sprach, eigentlich mehr zu sich selbst: „Jetzt weiß ich, warum die Jungs vor ein paar Tagen so schön mit der Weinpresse gespielt haben."

Autor:

Angelika Di Girolamo aus Künzelsau

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